Weihnachten wird stets als Fest der Familie und Harmonie dargestellt. Doch an Feiertagen ist man auch anfälliger für Stress. Warum ist das so?
THERESA LAHOUSEN-LUXENBERGER: Zu Weihnachten muten wir uns – zu den alltäglichen Verpflichtungen – weitere Aufgaben zu, die wir dann unter Zeitdruck erledigen. All das führt zu Stress. Dazu besteht der gesellschaftliche Druck, dass es zu Weihnachten ausgesprochen schön sein muss. Ganz aktuell – in Zeiten der Krisen – kann das Fest der Geschenke den Menschen zusätzliche Geldsorgen bescheren. Dennoch möchte man die Erwartung erfüllen, dass zu Weihnachten alle besonders nett zueinander sind.
Kann dieser Druck zu Streit in den Familien führen?
Die Tage vor dem großen Fest sind in manchen Familien hektisch. Die Nerven liegen also bereits vor der Bescherung ziemlich blank. Da braucht es nicht viel, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. Kommt dazu, dass an Weihnachten zahlreiche romantische Vorstellungen geknüpft sind, die sich in der Realität leider allzu oft nicht erfüllen. Das führt zu Frust und Enttäuschungen, die sich früher oder später entladen. Und dass man dann in diesem übersensiblen Zustand auch noch viel Zeit auf engem Raum mit der Familie verbringt, trägt auch nicht gerade zur Entspannung der Situation bei. Zu Weihnachten will man keinen Streit. Trotzdem entladen sich die Emotionen genau dann, wenn die Harmonie in der Familie eigentlich am größten sein sollte.
Wie kann man sich „vorbereiten“, wenn man fürchtet, dass es wieder zu Auseinandersetzungen kommen wird?
Um das Fest möglichst entspannt zu erleben und Frust und Streit an den Feiertagen zu vermeiden, sollte man nicht zu viel erwarten. Auch zu Weihnachten versteht man sich mit gewissen Personen nicht besser als sonst das ganze Jahr über. Grundsatzdiskussionen sollten vermieden werden. Weihnachten ist ein denkbar schlechter Zeitpunkt, um einmal mehr Themen zu diskutieren, die bereits das Jahr über zu unerfreulichen Wortwechseln geführt haben. Die Aufgaben sollten aufgeteilt werden und bei der Gestaltung des Festes sollte jeder ein Mitspracherecht haben.
Ist es auch legitim, seine Familie nicht zu besuchen, wenn einem das nicht guttut?
Weihnachten ist freiwillig. Wer aus irgendeinem Grund nicht mitfeiern möchte, den sollte man auch nicht dazu zwingen, ebenso sollte man sich nicht dazu gezwungen fühlen. Wer überhaupt nicht zum Fest kommen möchte, den sollte man auch nicht versuchen umzustimmen.
Es gibt auch Menschen, die Weihnachten allein verbringen müssen. Was kann man als Betroffener tun, um gut über die Feiertage zu kommen?
Weihnachten ist für diese Menschen eine anspruchsvolle Zeit: Das Alleinsein tritt besonders deutlich zutage. Tagsüber sind keine Kolleginnen und Kollegen da, die einen ablenken könnten, die Abende sind lang. In der Weihnachtszeit können sich Depressionen verschlimmern. Ein Tipp ist, Kontakte zu suchen – neue oder alte. Über Kontaktbörsen im Internet kann man sich verabreden. Das ist alles andere als verwerflich, sondern eine gute Maßnahme gegen Einsamkeit. Man sollte sie nur rechtzeitig einleiten.
Für manche sind Zusammenkünfte in größeren Gruppen eine Herausforderung. Wie bereitet man sich vor?
Grundsätzlich empfiehlt es sich, den Ball flach zu halten, sich nicht zu überfordern. Man sollte sich schon im Vorfeld bewusst machen, was die Vorstellungen und Bedürfnisse sind: Was ist mir wichtig? Was tut mir gut? Was möchte ich auf keinen Fall? Diese Vorstellungen sollte man offen mit allen Beteiligten besprechen und gemeinsam Ideen dazu entwickeln.
Gerade für Familien, die im letzten Jahr einen geliebten Menschen verloren haben, ist Weihnachten oft besonders schwer. Was kann ihnen an den Feiertagen helfen?
Es hilft, am Heiligen Abend ganz bewusst an den Verstorbenen zu denken, über ihn zu sprechen. Wenn einem nach Weinen ist, sollte man die Gefühle nicht unterdrücken. Dennoch sollte man vermeiden, die Person ausschließlich in den Mittelpunkt zu stellen. Man kann an sie denken und zugleich angemessen feiern.