Warum ist es so wichtig, mit Kindern über Geld zu sprechen?
Martina Leibovici-Mühlberger: Geld regiert die Welt. Auch unsere Kinder erleben diesen Geldwirtschaftskreis täglich. Deshalb haben wir dafür zu sorgen, dass sie auch einen entsprechenden Umgang damit erlernen. Damit sind nämlich auch ganz wesentliche Kompetenzen der Lebensführung verbunden, wie etwa Maß halten können, Selbstbeschränkung, planerisches Denken, Impulskontrolle oder Bedürfnisse verschieben, einschätzen und gewichten. Die Kinder lernen zudem Konsequenz und Verbindlichkeit kennen und haben dadurch letztendlich auch Erfolgserlebnisse.
Wann ist der richtige Zeitpunkt, um damit zu beginnen?
Die Kinder kommen ganz von alleine damit auf uns zu. Denn es gibt überall Konsumverführungen. Drei- bis Vierjährige, die mit in Geschäften sind, entwickeln bereits Begehrlichkeiten, fordern ein Spielzeug ein und wollen Konsumenten werden – ohne es zu wissen. Schon hier müssen wir regulierend, unterstützend und belehrend eingreifen. Mit fünf bis sechs Jahren, sprich im Vorschulalter, macht es auch schon Sinn, einen pädagogischen Aspekt in das Geldthema hineinzubringen. In diesem Alter ist das „Warum“ bereits stark ausgeprägt. Es gibt eine komplexere Wahrnehmung der Umwelt und eine höhere Beharrlichkeit. Reines Ablenken reicht hier nicht mehr. In dieser Situation kann man dann mit ersten Erklärungen beginnen.
Welche pädagogischen Exempel könnte man denn statuieren?
Kinder können zum Beispiel schon lernen, ihre Bedürfnisse zu verschieben und auf kleine Dinge, wie eine Puppe oder einen Traktor für zehn Euro, zu sparen. Sie lernen, dass es sie nicht umbringt, wenn sie etwas nicht sofort haben können, dieses impulsive Verlangen zu regulieren. Viele Jugendliche und auch Erwachsene können das oft nicht. Und das führt dann zu Überschuldungen. Es wäre wichtig, das bereits im frühen Leben in kleinen Portionen vermittelt zu bekommen. Und: Über diese Bedürfnisverschiebung lernt man auch zu sparen: etwas zurückzuhalten und aufzubauen. Oft erkennen Kinder dann, dass sie sich das heiß ersehnte Spielzeug nach einiger Zeit des Sparens gar nicht mehr so sehnlich wünschen.
Eltern sind oft nicht die besten Vorbilder, wenn es ums Geldausgeben geht. Sollte das Thema auch ein Schwerpunkt im Schulunterricht sein?
Definitiv ja. Das praktische geldwirtschaftliche Lernen gehört absolut in die Schule. Lebens-, Finanz- und Geldplanung sind untrennbar miteinander verbunden.
Wie wichtig ist es für Kinder bzw. Jugendliche, Taschengeld zu bekommen?
Taschengeld ist ein hervorragendes Instrument, um zu lernen, mit eigenem Geld zu wirtschaften. Auch hier kommen die Kinder meist selber auf die Eltern zu und fragen danach. Das ist dann auch der richtige Zeitpunkt. Dieser hängt stark vom Kind ab und auch davon, ob es größere Geschwister gibt, die bereits Taschengeld bekommen, oder ob das Thema etwa unter Klassenkollegen oder Freunden thematisiert wird. Das Geld, also Münze oder Schein, sollte auf jeden Fall bereits fest im Bewusstsein des Kindes mit dem Wert als Tauschwert verbunden sein.
Wie hoch soll das Taschengeld sein?
Das hängt davon ab, was man unter Taschengeld versteht. Kinder, die sich tagsüber selber mit Jause und Co. versorgen müssen, brauchen das Taschengeld anders bemessen. Das klassische Taschengeld ist ein Betrag, der zur freien, eigenen Verfügung stehen sollte. Es ist auch sehr wichtig, dass die Kinder frei und selber darüber bestimmen können, was sie damit machen – und sei es noch so ein Blödsinn. Kindern bis zwölf Jahre sollte man das Taschengeld wöchentlich ausbezahlen, da sie durch die Gehirnstruktur noch nicht so weit sind, so vorausschauend zu denken. Die Faustregel lautet dabei: 30 bis 50 Cent pro Lebensjahr pro Woche. Bei den 13- bis 18-Jährigen sind es 70 bis 90 Cent pro Lebensjahr pro Woche – und zwar mit monatlichen Auszahlungen. Die Höhe sollte auf jeden Fall verhältnismäßig und der familiären Einkommenssituation angepasst sein.
Gibt es auch Regeln für das Taschengeld?
Es sollte von den Eltern regelmäßig und unaufgefordert ausbezahlt werden. Kinder müssen sich unbedingt darauf verlassen können. Keine Vorschüsse oder „Kredite“ gewähren! Und: Taschengeld ist kein Erziehungsmittel! Um es zu bekommen, muss niemand brav sein.
Kinder und Jugendliche sind seit Langem eine kaufwillige Zielgruppe.
Die Konsum-Animation ist in Form von Werbung allgegenwärtig – vor allem online. Dazu kommen der Druck von Peergruppen, Markenzwang und der Wunsch, dazuzugehören. Das alles prallt auf noch unerfahrene Konsumenten ein, auf die ständig und überall Konsumfallen lauern. Kinder und Jugendliche sind damit oft überfordert. Gerade und vor allem, weil sie noch nicht trainiert sind im Kaufverhalten.
Elektronisches Geld, digitale Währungen: Wie vermittelt man diesen Wert?
Das ist eine Herausforderung. Viele Erwachsene wissen selber nicht genug darüber Bescheid. Das Geld verliert immer mehr den haptischen und physischen Aspekt. Das ist ganz schwierig in der Haushaltsführung. E-Geld und noch viel mehr digitale Währungen verführen Menschen. Sie senken die Möglichkeit, sich dem Kaufimpuls zu widersetzen, um es provokant zu sagen. Das ist bei einem Kind, das noch ein untrainiertes Kaufverhalten und gleichzeitig eine hohe Begehrlichkeit hat, weil das Über-Ich noch nicht so diszipliniert ist, ganz besonders problematisch. Dazu kommt die Tatsache, dass sich unser Nachwuchs mit einer Eleganz und Geschwindigkeit im Netz bewegt, und so ein Klick – viel mehr ist das ja nicht – ist schnell gemacht. Hier kann man nur Bewusstseinsbildung betreiben: auf Analyse, auf Konsequenz, auf Vordenken setzen. Aber es ist ein Kampf gegen eine Sturmflut, dessen muss man sich bewusst sein.
Im Grazer Kindermuseum FRida & freD läuft seit 23. März 2019 eine Ausstellung zum Thema Geld. Der Leiter des Museums Jörg Ehtreiber gibt Einblick in die neue Ausstellung, die den Namen "Was kost' die Welt?" trägt.