Volksschüler lernen Rechtschreibung am besten nach der klassischen sogenannten Fibelmethode. Zu diesem Ergebnis kommt eine Bonner Studie, bei der die Lernerfolge von gut 3.000 Kindern im Volksschulalter in Nordrhein-Westfalen analysiert wurden. Andere Ansätze wie "Lesen durch Schreiben" und "Rechtschreibwerkstatt" schnitten weitaus schlechter ab.
Bei der Fibelmethode werden Buchstaben und Wörter schrittweise und nach festen Vorgaben eingeführt. Danach lernende Kinder hatten mit Abstand die besten Rechtschreibkenntnisse, wie Una Röhr-Sendlmeier vom Institut für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie berichtet.
Viele Eltern seien in Sorge, weil ihre Kinder zum Ende der Volksschule die Rechtschreibregeln kaum beherrschten, so Röhr-Sendlmeier. "Sie fragen, ob dies auch mit der eingesetzten freien Lehrmethode zusammenhängen könnte, nach der die Kinder nur nach ihrem Gehöreindruck schreiben sollen."
Positives Feedback
Das lange gängige Fibel-Lernen war in Deutschland mancherorts vor allem vom "Lesen durch Schreiben" nahezu verdrängt worden, bis sich daran immer mehr Kritik entzündete, wie Bildungsforscherin Nele McElvany von der Universität Dortmund erläuterte. "Tatsächlich ist problematisch, dass es praktisch keine empirischen Studien gibt, was die Wirksamkeit dieser Methode angeht." Die Idee: Schüler sollen möglichst viel frei schreiben und das Lesen darüber mitlernen. Korrekturen falsch geschriebener Wörter sind unerwünscht, weil das die Kinder demotiviere.
Dabei könne man Schüler sehr wohl Regeln und Prinzipien einüben lassen und sie zugleich mit positivem Feedback ermutigen, betonte McElvany. Das Fibel-Lernen sei regelgeleitet, baue strukturiert aufeinander auf und setze auf Übungsphasen. Das Ergebnis der Psychologen mit der Top-Note für den Fibel-Ansatz hält sie für "nicht unplausibel".
Die Untersuchungsmethoden
Der beteiligte Bonner Wissenschafter Tobias Kuhl erläutert zu der Forschungsarbeit: "Wir sind wertfrei rangegangen." Das "Lesen durch Schreiben" und die "Rechtschreibwerkstatt" führten nachweislich zu vielen Fehlern. Ein fest vorgegebener Ablauf vom Einfachen zum Komplexen habe sich als klar überlegen erwiesen. Die weiteren Ergebnisse will er bei einer Tagung der Deutschen Gesellschaft für Psychologie an diesem Montag in Frankfurt vorstellen.
Die mehr als 3.000 Kinder wurden Kuhl zufolge zunächst nach ihrer Einschulung auf ihre Vorkenntnisse getestet. Danach seien fünfmal jeweils halbjährlich Diktate ausgewertet worden - immer waren Fibelkinder die leistungsstärksten. Schüler, die mit "Lesen durch Schreiben" unterrichtet wurden, machten am Ende der vierten Klasse im Schnitt 55 Prozent mehr Rechtschreibfehler, "Werkstatt"-Schüler sogar 105 Prozent mehr als Fibelkinder. Auch Schüler, deren Muttersprache nicht Deutsch war, profitierten vom "Fibel"-Ansatz.
Raum und Zeit
McElany zufolge lässt die Studie allerdings offen, ob es bei der Einschulung schon unterschiedliche Voraussetzungen bei den Kindern gab und inwieweit diese im Schulverlauf erhalten blieben. Angesichts der teils dramatisch schwachen Kompetenzen sei eine Methodendebatte wichtig. Orthografie sei Fleißarbeit und müsse in den ersten Schuljahren geübt werden. "Es ist wie auch das Lesen eine Kernkompetenz, die Grundschüler lernen müssen. Dafür brauchen sie in den Schulen und zuhause den zeitlichen Raum."
Der Grundschul-Lese-Untersuchung IGLU von Ende 2017 zufolge kann jeder fünfte Zehnjährige in Deutschland nicht so lesen, dass er den Text auch versteht. Und der bei Viertklässlern erhobene IQB-Bildungstrend 2016 ergab, dass nur 55 Prozent orthografische Regelstandards erreichen oder übertreffen.
Der Bildungsverband VBE zeigte sich hinsichtlich der neuen Ergebnisse skeptisch. Grundsätzlich sei es "nicht zielführend", die Rechtschreibfähigkeit als einzelnen Aspekt losgelöst von allen anderen Lernprozessen zu untersuchen. Der Vorsitzende Udo Beckmann meinte: "Eine einseitig festgelegte Rückkehr zum Unterricht mit der Fibel ist keine Lösung."