Geschafft! Da sind sie nun, die heiß ersehnten Sommerferien. Neun freie Wochen, die ein breites Lächeln auf die Gesichter der Schüler und wohl auch Sorgenfalten auf jene vieler Eltern zaubern. „Ferien sind für Schüler natürlich ganz wichtig. Sie brauchen diese freie Zeit, um durchzuatmen und ihren eigenen Interessen nachgehen zu können“, betont Bildungspsychologin Christiane Spiel von der Universität Wien vorausschickend. Allerdings: Die Länge dieser freien Phase stellt viele Familien vor Urlaubs- bzw. Betreuungsprobleme. Und sie trägt ihr Scherflein dazu bei, dass die ohnehin vorhandene Bildungsschere noch weiter aufgeht. Spiel: „Eltern, die über mehr Geld verfügen, können sich Feriencamps oder Sprachwochen für ihren Nachwuchs leisten.“ Diese Kinder bekommen also auch im Sommer die Gelegenheit, sich weiterzubilden. „Eltern mit weniger Geld können das nicht. Hier wären qualitativ hochwertige Ferienangebote wünschenswert, die finanziell gestaffelt sind“, meint die Bildungsexpertin. Sie ist eine Verfechterin des Modells „Sommerferien verkürzen, Herbstferien einführen“. Denn: „Der Herbst ist sehr lang und anstrengend, vollgespickt mit Schularbeiten und Tests. Eine Unterbrechung, die über jene eines Wochenendes hinausgeht, täte sicher allen Beteiligten gut.“
Wie auch immer, neun Wochen ohne Schule sind eine lange Zeit. Stimmt es, dass während der Sommerferien viel erworbenes Schulwissen einfach wieder verloren geht? „Es gibt Studien, die einen Verlust während dieser Zeit belegen“, bestätigt Spiel. Weshalb sie ohne Umschweife dazu rät, einen Teil (vorzugsweise meist den letzten) der Ferien dazu zu verwenden, das Erlernte zu sichern. „Es geht darum, die Hefte durchzublättern und zu schauen, wo es Wiederholungsbedarf gibt.“ Einerseits, um in Schwung zu bleiben. Und andererseits, um für das nächste Schuljahr eine gewisse Sicherheit zu entwickeln. Spiel: „Im Herbst kommt auf jeden Schüler sowieso wieder viel Neues zu. Mit dem Festigen des Stoffs in den Ferien ist ein Start mit mehr Zuversicht und Selbstvertrauen möglich.“
Spielerisch lernen
Klingt vernünftig, Eltern mit Realitätssinn wissen aber: Das könnte schwierig werden. Wenn nicht eine Nachprüfung den nötigen Druck aufbaut, setzen die Schulbücher während des Sommers meist in der hintersten Ecke des Kinderzimmers eine dicke Staubschicht an. Da sind dann unorthodoxere Festigungsmethoden gefragt, die sich vor allem im Volksschulalter bewährt haben. Christiane Spiel rät zum Wiederholen in Alltagssituationen, Beispiel Einkaufen: „Man kann das Kind bitten, den Einkaufszettel zu schreiben. Oder auszurechnen, wie viel einzelne Sachen zusammen kosten. Oder zu schauen, wie viel man pro Geschäft ausgegeben hat. Auch so üben die Kinder das Schreiben, Lesen und Rechnen, aber eben in ganz anderer Form.“
Genauso spielerisch und nebenbei kann auch das organisatorische Talent, das Schüler etwa im Einteilen ihres Lernpensums benötigen, gefördert werden. Bildungspsychologin Spiel empfiehlt etwa, Ferien mit besonderen Erlebnissen zu spicken, die im Vorhinein gemeinsam geplant werden sollen. „Erst einmal besprechen, was man als Familie sehen oder erleben will. Dann recherchieren: Wie lange dauert die Anfahrt, wie kommt man hin, was kostet es etc. So schafft man aktiv schöne Erinnerungen. Und nebenbei lernen die Kinder, wie man vom Planen in die Umsetzung kommt.“
Phasen der Langeweile – angeblich soll die ja kreativ machen – seien in den Ferien auch erlaubt. Dennoch rät die Expertin dazu, in Aktion zu bleiben: „Kinder haben ja sehr viel Energie. Sie dazu zu bringen, diese zu nutzen und ihre Ferien aktiv zu gestalten, macht Sinn.“
Die Haltung der Eltern hinter all diesen Bemühungen sollte eine zentrale Botschaft transportieren: Lernen ist etwas Schönes! „Leider“, sagt Spiel, „wird heutzutage medial ständig suggeriert, dass man unendlich froh sein muss, wenn das Schuljahr endlich vorbei ist. Gewisse Radiosender tun sich da besonders hervor. Und auch in Interviews liest man immer wieder, wie schlimm die Schulzeit für den Interviewten war. Da bräuchte es dringend andere Vorbilder. Menschen, die sagen: Ich bin gerne in die Schule gegangen.“
Hinzu kommt: Der Uncoolness-Faktor von Schule verstärkt sich bei Kindern mit zunehmendem Alter immer mehr. „Streber“ ist ein Schimpfwort. Spiel: „Gerade bei Buben kommen auch Geschlechterstereotype zum Tragen, sprich: Sie müssen als begabt, aber faul gelten, um in ihrer Peer-Group als cool anerkannt zu werden.“ Dieser Umstand wiegt umso schwerer, als dass unter männlichen Jugendlichen die Jugendarbeitslosigkeit am höchsten ist. Die Abwärtsspirale beginnt oft dort, wo es in der Gruppe eben lässiger wirkt, wenn man jeden eigenen Antrieb und Lerneifer gleich im Keim erstickt.
Haben Eltern da den Funken einer Chance, dagegenzuhalten? „Absolut“, meint die Expertin, „sie können glaubhaft betonen, dass sie gern in die Schule gegangen sind und wie sehr sie vom Gelernten profitiert haben.“ Und: Sie sollten den schulischen Erfolg ihrer Kinder nicht nur von den Noten abhängig sehen. Sondern: „Ihre Aufmerksamkeit auf das lenken, was die Kinder in der Schule an neuem Wissen und Fähigkeiten mitgenommen haben.“ Dann könnte es sein, dass Lernen irgendwann doch auch von den Schülern positiv wahrgenommen wird. Egal, ob während des Schuljahres oder in den Ferien.
Johanna Wohlfahrt