"Ich bin ein großer Fan der Liebe, aber ich bin auch ein großer Fan von einem Lottogewinn", sagt Jana Crämer und grinst. "Beides ist ein Wunder – und ich glaube nicht, dass jeder dieses Wunder erlebt."
Jahre voller Selbstzweifel
Man könnte diesen Artikel damit beginnen, dass ihr Vater Alkoholiker war – oder damit, dass die heute 40-Jährige vor wenigen Jahren noch 180 Kilo wog und an einer Essstörung litt. Beides hat das Leben von Jana Crämer nachhaltig geprägt, definiert sie aber nicht. Das weiß die Autorin heute: "Ich versuche heute der Mensch zu sein, den ich früher gebraucht hätte."
Hinter der Deutschen liegen Jahre der Selbstzweifel. Jahre, in denen sie ihren Körper regelrecht ablehnte, durch unzählige Diäten quälte und eine Essstörung entwickelte. "Mein Oberkörper passte gar nicht zu meinem Unterkörper", erzählt Crämer im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. "Ich dachte immer, ich sei falsch zusammengesetzt."
Inzwischen wiegt Jana Crämer – sie hat mittlerweile mehrere Bücher geschrieben – 100 Kilo weniger. Die Essstörung hat sie hinter sich gelassen. Der Weg dorthin hatte vor allem mit Selbstakzeptanz zu tun. "Es war ein Friedenschließen." Die Autorin machte eine Therapie, lernte viel über sich selbst und ihre Verhaltensweisen.
"Wer hat das Problem: Sie oder die Anderen?"
Als sich das Ende der Therapie abzeichnete, suchte Crämer verzweifelt nach Gründen, diese fortzuführen. "Ich habe meinen Therapeuten dann gefragt, ob er das mit den Männern nicht auch heilen muss, dass ich noch nie eine Beziehung hatte." Ihr Therapeut reagierte überrascht. Er wisse nicht, was er da heilen solle. Sie habe weder eine Bindungsstörung noch Bindungs- oder Verlustangst. "Da hat er zu mir gesagt: 'Suchen Sie doch kein Problem, wo keines ist. Wer hat das Problem? Sie oder die anderen?'"
Langsam begann Crämer zu verstehen, dass es gar nicht sie selbst war, die sich eine Beziehung wünschte. Sie habe einfach nur gewollt, dass sie nicht mehr darauf angesprochen werde. Heute weiß sie: "Ich habe einfach einen ganz anderen Fokus im Leben, auch weil ich nichts vermisse – es ist ja keine Leere, die gefüllt werden muss."
Indem sie begonnen habe, sich zu akzeptieren, habe sie auch gelernt, glücklich und zufrieden mit sich selbst zu sein. Zum Thema Selbstakzeptanz sagt sie: "Es gibt einen ganz einfachen Trick: Man muss aufhören, sein Leben zu vergleichen. Punkt."
Jana Crämer setzt sich gegen Single Shaming ein
Ihrer Einschätzung nach hat das Thema Beziehung in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert. "Es ist so anerkannt, dass jemand total unglücklich in einer Beziehung festhängt, sich quält und traurig ist", so die 40-Jährige. "Aber wehe man ist ohne Beziehung glücklich, dann stimmt etwas nicht. Dann ist man entweder zu dick, zu dünn, zu schlau, zu anspruchsvoll oder zu gestört."
Generell sei sie immer wieder überrascht darüber, wie viele Menschen sich von ihrem Lebensentwurf angegriffen fühlen. "Ich verstehe das nicht, ich nehme ja niemandem etwas weg", lacht die Autorin. "Ich finde, das Leben ist viel mehr erfüllt und glücklich, wenn das Glück aus sich selbst kommt."
Das versucht Jana Crämer auch in ihrem neuen Buch zu vermitteln. Als Beziehungsratgeber will sie es übrigens nicht verstanden wissen – aber auch nicht als Antibeziehungsratgeber. "Um ehrlich zu sein, ist es nicht mal ein klassischer Ratgeber. Dafür ist es ganz genau das, was draufsteht: Ein Buch, das Mut macht."
Jana Crämer: "Nachtisch muss sich lohnen"
Eine Beziehung lehnt Crämer per se übrigens nicht ab. Sie freue sich für jeden, der eine tolle Partnerschaft habe und würde sich auch für sich selbst freuen – es müsse aber eben auch passen. "Ich bin so glücklich und zufrieden", sagt sie. "Wenn ich jemanden treffe, ist das schön. Man kann das vergleichen mit dem Nachtisch nach einem guten Abendessen: Man ist satt und zufrieden. Als Nachtisch will ich dann nicht nur Obst und Joghurt, sondern wenn schon Tiramisu. Der Nachtisch muss sich also lohnen."
Claire Herrmann