"Früher hätte es das nicht gegeben. Wir hätten uns das damals nicht getraut. Hach, diese Jugend von heute ..." Sätze wie diese haben wohl die meisten schon des Öfteren gehört oder sogar selbst ausgesprochen. Denn über Jugendliche, deren Verhalten und Werte wird seit jeher gerne im Kreise der Erwachsenen diskutiert. Als Beispiel und Maßstab werden dafür meist einzelne junge Menschen herangezogen, die aus unterschiedlichen Gründen in der Öffentlichkeit aufgefallen sind.

Wie Österreichs Jugend wirklich tickt und was ihnen am meisten am Herzen liegt, lässt sich so aber nicht feststellen. Viel mehr muss man dazu mit einer großen Zahl junger Menschen in Kontakt treten und sich anhören, was sie bewegt. Als wissenschaftliche Leiterin des Instituts für Jugendkulturforschung ist es genau das, was Beate Großegger macht. Und der Expertin zufolge zeichnet sich klar ab, was junge Menschen im Leben erfüllt und was ihnen am wichtigsten ist.

Suche nach qualitätsvollen Beziehungen 

"Jugendliche begeben sich nicht auf die Art und Weise auf Sinnsuche, wie wir Erwachsene uns das vorstellen. Ein sinnvolles Leben zu führen oder Lebenssinn zu spüren bedeutet für sie gut und glücklich zu leben." Dabei ist für diese Generation vor allem eines zentral: stabile Primärbeziehungen. "An erster Stelle steht, Menschen zu haben, die einem wirklich am Herzen liegen, für die man da sein kann und die für einen selber da sind, wenn man sie braucht", so die Expertin.

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So mache sich die Jugend sehr viele Gedanken über die Qualität der Beziehungen in ihrem Leben. Das betreffe zum einen Freundschaften, aber auch Partnerschaften und die Familie – von dem Verhältnis zur Mutter bis hin zu jenem, dass man zum Opa hat. "Und Jugendliche versuchen auch ganz bewusst in diese Beziehungsqualitäten zu investieren", sagt Großegger.


Während den Menschen im nahen Umfeld der größte Wert zugemessen wird, sei es für die meisten jungen Leute aber auch zentral, niemandem zu schaden, also jenen Menschen, die einem nicht am Herzen liegen, dennoch nicht auf die Füße zu treten.

Zusätzlich wird auch den Dingen eine hohe Wertigkeit zugemessen, die man ganz für sich hat und die im Alltag Entspannung und Ausgleich bringen. "Wir sehen, dass Sport und Bewegung für einen großen Teil der Jugendlichen während der Coronapandemie deutlich wichtiger wurden und auch heute eine Entlastungsfunktion erfüllen. Auch das Rausgehen in die Natur wird von vielen – vor allem von jungen Frauen als eine Möglichkeit gesehen, Ausgleich zu finden – ebenso auch kreative Aktivitäten", erklärt die Expertin.

Ausklinken aus dem Tagesaktuellen 

Zudem haben sich Umfragen in Österreich zufolge auch rund zehn Prozent der jungen Menschen während der Coronapandemie in der Nachbarschaftshilfe engagiert – und viele darin eine erfüllende Tätigkeit gefunden, die sie auch weiterhin beibehalten.

Während vor allem das Zwischenmenschliche im Zentrum des Lebens von Jugendlichen steht, gibt es auch einen Bereich des alltäglichen Lebens, von dem zunehmend Abstand genommen wird: "Vor allem bei jungen Frauen sehen wir, dass oft ein Ausklinken aus den tagesaktuellen Debatten stattfindet. Es ist also zu beobachten, dass Nachrichten oft ganz bewusst gemieden werden", sagt Großegger. Schon vor der Pandemie war dieser Trend in Österreich und auch in der Schweiz zu erkennen. Untersuchungen zeigten, dass sich im Schnitt jeder zweite Jugendliche der politischen und globalen Berichterstattung entzieht.

Suche nach Vorbildern 

"Das ist auch verbunden mit dem Gefühl, dass es in den Bereichen der Politik und Wirtschaft keine Menschen gibt, zu denen man aufschauen kann oder will. Junge Menschen beschreiben oft, dass man nicht das Vertrauen habe, dass jemand von diesen Leuten wirklich einen Plan habe, wie es mit der Welt weitergehen soll", sagt die Expertin.

Auf der Suche nach Vorbildern ist die Jugend dennoch. Doch diese finden sie nicht, wie häufig fälschlicherweise angenommen, im Internet: "Man glaubt immer, die Jugendlichen orientieren sich an Influencern. Aber persönliche Vorbilder finden sie im privaten Umfeld. Sie setzen sich sehr intensiv mit den Menschen auseinander, mit denen sie zu tun haben. Und diese Generation legt großen Wert auf die viel zitierten inneren Werte – also Ehrlichkeit, Mut, Engagement und Bereitschaft."

Zum Vorbild nimmt sich der Einzelne also Menschen wie die eigene Mutter, die etwa als Alleinerzieherin den Alltag bewältigt. Oder den Opa, der trotz Erkrankung alles für seine Familie tut. "Influencer hingegen werden zwar sehr genau beobachtet, aber höchstens als Vorbild bei Dingen wie modische Entscheidungen herangezogen", sagt Großegger. Wirklich wichtig sind den Jugendlichen heutzutage – noch verstärkt durch die Erfahrungen in der Pandemie – jene Menschen, die zu einem stehen. Komme was wolle.