Es sind Sammelbände von Fake News. Momentaufnahmen aus einem Paralleluniversum, das es so nicht gibt – jene Fotos von Kinderzimmern in Möbelhauskatalogen und Erziehungsratgebern, auf denen keine bunten Legosteine, vereinsamte Puzzleteile, verirrte Spielkarten, Matchboxautos oder Miniaturkochtöpfe herumliegen, Stofftiere in Reih und Glied im Bett salutieren, Bücher akkurat gestapelt im Regal ruhen und Blumen neben den Wickeltischutensilien blühen. Echt jetzt? Wirklichkeit geht anders.
In Wahrheit ist ein Kinderzimmer eine Manifestation von buntem Chaos. Ein wildes Sammelsurium von Spielsachen aller Bauarten, Farben und Größen. Und es beschleicht einen der sanfte Verdacht, dass im Laufe der Zeit die ganze Spielzeugabteilung des Geschäfts als Untermieter daheim eingezogen ist. Übrig bleibt die Frage: Muss das alles sein? Oder umgekehrt: Wie viel Spielzeug braucht ein Kind wirklich?

Die Minimalismusformel „weniger ist mehr“ gilt diesbezüglich als brauchbare Handlungsanleitung. Denn das stete Mengenwachstum, Spiegel unserer Überflussgesellschaft, zeigt zwar, dass es da jemand sehr gut mit dem Nachwuchs meint. Ob Oma, Opa, Onkel, Tante, Freunde, Taufpaten oder die Eltern selbst: Jeder möchte dem Kind eine unvergessliche Freude machen. In der materialisierten Zuneigung verbirgt sich aber auch die Gefahr eines fantasieeinschläfernden „Zu viel“. Denn all die nett gemeinten Geschenke, verwirklichten Wünsche und getarnten Förderutensilien, die Kinderzimmerböden wie träge Nassschneelawinen erbarmungslos unter sich begraben, entbinden die Kinder schnell von der Notwendigkeit, sich selbst etwas auszudenken, Dinge und Rollen zu erfinden oder zu improvisieren. Zu viel Konsum frisst die Kreativität, die Konzentration und den Erkundungsdrang. Das ständig Neue lähmt die Neugier und verliert schnell seinen Reiz.

Aber die Quantität ist nur eine Einflussgröße, noch dazu eine mit einer nach oben offenen Bedürfnisskala: Kinder wollen immer mehr. Sie wollen überrascht und unterhalten werden. Das heißt aber nicht automatisch, immer mehr Spielzeug. Besser wäre mehr tatsächlich passendes „Zeug zum Spielen“. Denn die zweite Kenngröße heißt Qualität und bezieht sich nicht nur auf die Materialien, aus denen all die Puppen, Lokomotiven, die Bausteine und der Bastelkram zusammengezimmert sind. Vielmehr geht es um altersadäquat, interessensorientiert, fordernd und fördernd. So kann spielerisch Mehrwert generiert werden und Spielzeug zur gesunden Entwicklung des Kindes beitragen. In diesem Prozess verlieren Dinge aber naturgemäß irgendwann ihren Reiz. Kinder wachsen nicht nur aus Kleidung heraus, sondern auch aus den Interessenskorridoren ihrer Spielsachen. Dann heißt es, vollgestopfte Kisten zu entrümpeln, Platz zu schaffen, bevor sich Langeweile und Lustlosigkeit ausbreitet – zwei Totengräber des natürlichen kindlichen Spieltriebs.

Aber statt neues oder immer noch mehr Spielzeug anzuschaffen, gibt es eine für das Kind spannendere, für die Eltern kosten- und platzsparendere, pädagogisch wertvollere und menschlich beglückendere Variante: einfach mitspielen.