Wenn ich an meine Kindheit denke, drängen sich eher Töne und Gerüche auf als Bilder. Es gibt einen bestimmten Vogel, den hört man, finde ich, nur in Graz und Gleisdorf. Ich wollte ihn gerne in meinem Film „Die Vaterlosen“ hören und habe meinen Tonmann lange gequält, diesen Vogel, von dem ich glaube, dass es eine Ringeltaube ist, aufzunehmen, aber wir konnten ihn nicht auftreiben.
Meine Erinnerung ist sehr positiv, frei. Ich glaube nicht, dass meine Eltern sehr streng waren. In manchem dann natürlich schon, Tischmanieren waren zum Beispiel ein Thema, das meinem Vater sehr wichtig war.
Meiner Mutter war es immens wichtig, dass wir viel im Freien und an der frischen Luft sind, eine gesunde Kindheit haben. Deswegen sind wir auch von Graz nach Gleisdorf gezogen.
Unser Garten hatte viele alte Obstbäume, ein großes Gemüsebeet, Schaukeln und eine Hängematte, er war sehr bewohnt. Meine Mutter ist früh auf den Bio-Zug aufgesprungen, es gab immer eine strenge Mülltrennung bei uns zu Hause, auch eine Müllvermeidung. Es wurde uns beigebracht, dass Wasser wertvoll ist und dass man es nicht endlos rinnen lässt – all diese Dinge.
In Freiheit aufwachsen
Das Freiheitsgefühl war meinen Eltern wichtig. Ich hatte viel Raum für mich und für meine Ideen, es wurde mir wenig vorgegeben. Natürlich gab es auch Grenzen, aber keiner hat gesagt: „Du musst ein Instrument lernen.“ Oder: „Du musst um 19 Uhr ins Bett gehen.“ Es war nicht so, dass meinen Eltern unsere Leistung – zum Beispiel in der Schule – egal war. Es war ihnen aber wichtiger, dass wir einen Beruf finden, der uns glücklich macht, als einen, mit dem wir viel Geld verdienen.
Ich wollte sehr lange Schriftstellerin werden. Es hat nie jemand versucht, mir das auszureden. Meine Eltern haben uns entscheiden lassen, was uns interessiert und was wir tun wollen. Ich habe von ihnen gelernt, dass man seinen Weg gehen kann, dass kein Anspruch zu hoch und kein Plan zu ambitioniert ist. Mit meinem Vater spreche ich viel über Visualisierung, darüber, dass wir uns ein Bild davon machen, was wir erleben und erreichen wollen. Seine Art, auf Dinge zuzugehen, an sich selbst zu glauben – da habe ich viel von ihm gelernt.
Meine Mutter hat mir die Aufmerksamkeit und Hingabe für andere mitgegeben. Ich höre Menschen zu, interessiere mich für jene, die mir nahestehen. Meine Mutter schreibt nach wie vor gerne Briefe – ich auch. Die Großzügigkeit im Herzen, die habe ich von ihr.
Meine Kindheit wäre ein ziemlich fader Film, sie hatte keine großen Hoch- oder Tiefpunkte. Insgesamt war ich ein braves Kind, ich wollte funktionieren. Später bin ich auf eine alternative Schule gegangen. Ich wollte dorthin, weil ich wusste, dass es einen künstlerischen Schwerpunkt gibt und man acht Stunden in der Woche malen kann.
In ihrem Erziehungsstil waren meine Eltern sehr unterschiedlich, in verschiedenen Dingen streng oder locker.
Trennen wie meine Eltern
Das war kein Widerspruch, wir wussten, an wen man sich wenden muss, um was zu bekommen. Als ich elf, zwölf Jahre alt war, haben sich meine Eltern getrennt. Ich sage immer, wenn man sich trennt, sollte man es möglichst so machen wie sie. Sie haben ihre Trennung nicht auf unseren Rücken ausgetragen. Es war relativ schnell wieder ein freundschaftlicher Umgang möglich – bis heute.
Mir ist es wichtig, meiner Tochter die Aufmerksamkeit anderen Menschen gegenüber beizubringen, ihr zu verdeutlichen, dass sie nicht alleine auf der Welt ist. Das klingt banal, aber das muss man Kindern erst beibringen. Und: Unser beider größtes Ziel ist es, ihr das Gefühl zu geben, dass wir und unsere Liebe für sie immer da sind. Natürlich möchte ich ihr jeden Schmerz ersparen und weiß, dass ich das nicht kann. Es gibt Momente, in denen ich das sehr schlimm finde.