Ich bin in Simmering aufgewachsen, einem typischen Arbeiterbezirk in Wien. Mein Vater war Hilfsarbeiter, meine Mutter zuerst Spinnerin, später Bedienerin. Die Wohnung in der Hasenleiten hat dem Großvater gehört. Sie war sehr klein: Es gab nur zwei Zimmer, kein warmes Wasser. Wir hatten kein Telefon, keinen Fernseher, kein Auto. Was wir besaßen, waren ein Radio und ein Plattenspieler.


Der Großvater wohnte auch bei uns. Ich habe bis zu meinem 12. Lebensjahr in der Mitte des Bettes zwischen meinen Eltern geschlafen. Der Großvater hat in der einen Ecke geschlafen, wir im Bett in der Mitte des Raumes. Mit Koks und Kohle geheizt wurde nur das andere Zimmer – die sogenannte Küche, die auch Wohnzimmer war. Neben dem Ofen stand eine Kohlenkiste – das war mein Lieblingsplatz im Winter. Das klingt jetzt traurig, aber meine Kindheit war überhaupt nicht traurig, sondern superschön. Fast alle Familien dort haben nichts anderes gekannt.

Eines der wenigen Kinderfotos, die es von ihm gibt: Herbert Prohaska
Eines der wenigen Kinderfotos, die es von ihm gibt: Herbert Prohaska © Privat

Mir ist nie etwas abgegangen, ich habe immer etwas zum Anziehen gehabt und genug zu essen. Ich habe früh gewusst, dass wir uns nicht viel leisten können und dass der Großvater uns mehr als die Hälfte seiner Pension zuschießt. Wir sind nie auf Urlaub gefahren. Das war mir immer sehr recht, weil ich sowieso nur eines wollte: Fußball spielen. Zwei Straßen weiter befand sich der sogenannte Käfig. Die Zehn- bis 15/16-Jährigen haben immer alle gleichzeitig gespielt. Das war gut für mich, einige waren körperlich stärker und schneller, da hat man besser dribbeln müssen. Natürlich sind die Großen nicht anständig mit den Kleinen umgegangen. Ich bin oft dreckig und blutverschmiert nach Hause gekommen – aber immer glücklich. Es hieß: „Wenn du weinst, spielst du morgen nicht mehr mit.“ Auch die Älteren haben schnell gesehen, dass ich es gut kann. Mindestens zehn von damals hätten es in den Profifußball schaffen müssen, geschafft habe es nur ich, viele sind versumpert.

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Meine Eltern sind jeden Tag in der Früh mit der ersten Straßenbahn zur Arbeit gefahren und mein Großvater hat mir eine warme Milch gemacht. Mein Vater war unglaublich: Er ist jeden Tag hundsmüde heimgekommen und dann noch mit mir Fußball spielen gegangen. Er hatte kein Talent, aber war ein fanatischer Anhänger der Vienna. Ab dem vierten Lebensjahr hat er mich mit auf den Platz genommen. Er hat immer erzählt, dass mich das Spiel von Anfang an fasziniert hatte.

"Meine Eltern waren immer großartig"


Fußball spielen war nicht teuer. Irgendwer hat immer einen Ball gehabt. Das Einzige, das etwas kostete, waren die Semperit-Patschen. Es gab damals braune und blau-weiße. Bei denen mit den braunen wusstest du: „Der kann Fußball spielen.“ Die blau-weißen dagegen waren Madelschuhe. Ein Paar hat damals 20/25 Schilling gekostet. Ich habe ein neues Paar pro Jahr bekommen. Wegen des Sands und der Steine hatte man bald Löcher, da hat der Großvater gesagt: Nimm einen Pappendeckel, schneide dir Einlagen aus. Ich musste durchhalten bis zum nächsten Jahr. Dass ich so aufgewachsen bin, war für mich, im Nachhinein betrachtet, unheimlich wichtig. Alles, was ich später erreichte, habe ich umso mehr zu schätzen gewusst.

Schneckerls Liebe zum runden Leder begann schon früh
Schneckerls Liebe zum runden Leder begann schon früh © Privat


Meine Eltern waren immer großartig. Sie haben mir Grundwerte vermittelt: Grüß alle Leute! Sei ehrlich, lüg nicht! Stiehl nix – manchmal haben wir Obst aus den Nachbargärten gestohlen. Allerdings sagten sie auch: „Fußballer ist kein Beruf. Du musst zuerst einen lernen, dann kannst du spielen.“ Also habe ich ihnen zuliebe Automechaniker gelernt. Ich wollte sie nie enttäuschen, sie waren so gute Menschen. Ich bin mit 17 zur Austria gekommen und war noch bis 18 1/2 ein Lehrbub. Als solcher habe ich 1000 Schilling verdient, bei der Austria 6000/7000 Schilling. Ein Vermögen!


Der Deal war, ich trete einmal zur Gesellenprüfung an – und irgendwie bin ich durchgekommen. Ich habe Fußball nie als Arbeit gesehen, sondern mein Hobby zum Beruf gemacht – wer kann das schon sagen von sich? Am allermeisten dankbar in meinem Leben bin ich aber für meine fantastische Familie.