1. Warum wollen wir nicht streiten?

Ein neues Jahr beginnt mit guten Vorsätzen. Dazu gehört häufig „nicht mehr streiten“. Denn Streit ist etwas Unangenehmes. Er passt nicht zu unseren hohen Ansprüchen und Erwartungen. Doch ohne Streit kann Harmonie nicht gelingen. Wenn wir „gut streiten“, verbessern wir gemeinsam unsere Beziehungen.

2. Gut streiten, wie geht das bitte?

Streiten Sie nicht einfach drauflos, wann und wo Ihnen gerade danach ist. Prüfen Sie vorher drei wichtige Punkte: Passt der Ort, passt die Zeit, gibt es ausreichend Sicherheit? Wählen Sie einen Ort, an dem sich alle Streitparteien gleichermaßen wohlfühlen und ungestört sind. Wenn ein Streitfall vor anderen Menschen entsteht, dann suchen Sie einen ruhigen Platz ohne Publikum. Am besten ist, Sie bestimmen gemeinsam, wann und wo Sie den Streit klären. Sie können z. B. sagen: „Hier machen wir jetzt nicht weiter. Es ist mir wichtig, dass wir das in Ruhe klären - wie wäre es mit ...?“ So wichtig wie der Ort ist die Zeit. Denn wer gerade mit anderen Gedanken beschäftigt ist, kann nicht zuhören. Fragen Sie also nach: „Deine Meinung ist mir wichtig. Ich möchte etwas mit dir besprechen. Wann hast du Zeit? Wie viel Zeit haben wir dann?“

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Karin Grasenick
Karin Grasenick © KK

3. Was gibt Sicherheit bei Konflikten?

Sicherheit entsteht durch Wertschätzung. Das beginnt damit, dass Sie Unterschiede als solche anerkennen und ansprechen, etwa so: „Du siehst das anders. Das ist o. k. Was ist für dich wichtig?“ Zeigen Sie, dass Sie zuhören und die Gefühle und Meinungen anderer respektieren werden. Beachten Sie: Eine gute Klärung sucht nach Lösungen und nicht nach Schuldigen. Zeigen Sie, dass Sie über eine Sache reden wollen, die für alle wichtig ist.

Margit Weingast
Margit Weingast © KK

4. Wie entstehen durchs Streiten Lösungen?

Gute Lösungen entstehen gemeinsam. Erinnern Sie sich und andere daran, dass Sie das können. Geben Sie positive Beispiele, etwa: „Danke, dass du den Müll hinunterbringst.“ Erinnern Sie an Gemeinsames, Verbindendes. Das schafft Vertrauen und macht Mut. Sagen Sie, was Ihnen wichtig ist und vor allem: was Ihr Gegenüber konkret tun kann. Bleiben Sie bitte offen für neue Lösungen. Geben Sie nicht alles vor. Fragen Sie nach: „Wir beide haben ein schönes Zuhause gebaut. Ich freu mich, dass wir gemeinsam auf die Ordnung achten. Wie ist das für dich? Wie können wir die Arbeit aufteilen? Was ist dein Beitrag?“ Vereinbaren Sie eine kleine, machbare Verbesserung. Probieren Sie die Lösung aus. Machen Sie gleich einen fixen Termin aus, um das Ergebnis zu besprechen und ob es für beide Seiten passt.

5. Ist es schlimm, wenn es laut wird?

Bei aller Wertschätzung füreinander kann es trotzdem vorkommen, dass ein Streit laut und beleidigend wird. Das muss nicht weiter schlimm sein. Ehrlichkeit und Klarheit sind wichtiger als schöne Worte. Aber bitte beachten Sie: Was für Sie vielleicht völlig o. k. ist, ist für andere erschreckend und verletzend. Ein Satz kann viele Bedeutungen haben. Daher: Wenn Sie sich angegriffen fühlen, fragen Sie nach: „Wie meinst du das?“ Bitten Sie um eine Unterbrechung, wenn Sie nicht mehr ruhig bleiben können, etwa mit: „Das ist überraschend und viel für mich. Ich brauche eine kurze Pause. Gib mir bitte 10 Minuten Zeit.“ Fragen Sie nach, wenn Sie merken, dass Sie andere verletzen: „Es ist nicht meine Absicht, dich zu verletzen. Kannst du mir helfen und sagen, wie ... für dich ist?“

6. Und wenn ich so richtig explodiere?

Dann hat sich vermutlich viel Ärger über längere Zeit aufgestaut. Machen Sie das Beste daraus: Entschuldigen Sie sich. Erklären Sie, warum Sie so reagiert haben. Fragen Sie nach, was Sie damit ausgelöst haben. Wird es öfter laut, können Sie ein Signal, zum Beispiel ein Handzeichen oder ein Wort, für eine Streitpause vereinbaren.

7. Wann wird streiten destruktiv?

Wenn Sie gerne kämpfen und Ihren Standpunkt für den einzig richtigen halten, kann es leicht destruktiv werden. Sobald Sie angreifen, entsteht eine Spirale aus Verteidigung und Gegenangriff, die richtig beleidigend werden kann. Es fallen Sätze wie „Du bist so ein Idiot, immer lässt du deine Sachen liegen“. Das zeigen wir auch mit unserem Körper: wegschauen, verächtlich mit den Augen rollen, sich abwenden, aufstehen und gehen. Das wertet andere ab.

8. Wer klüger ist, gibt nach?

Immer nachgeben ist auf die Dauer keine Lösung. Ihre eigenen Bedürfnisse kommen zu kurz. Dann baut sich Groll auf, von dem der Partner oder die Partnerin vielleicht gar nichts mitbekommt. Und plötzlich gibt es wegen Kleinigkeiten einen Riesenkrach. „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ nicht „statt deiner selbst“! Ihre Bedürfnisse sind genauso wichtig wie die anderer Menschen. Achten Sie also auf sich selbst und eine gute Balance aus Geben und Nehmen.

9. Wann sollte man Hilfe holen?

Überlegen Sie, worum es bei Ihrem Streit geht. Leisten alle Beteiligten einen Beitrag zur Lösung oder soll sich immer nur eine Person ändern? Geht es um die Sache oder darum, andere zu beleidigen? Wenn unfaires Verhalten erlaubt wird, kann es rasch zur Gewohnheit werden und steigert sich weiter. Machen Sie sich nichts vor, warten Sie nicht zu lange, wenn Streit trotz aller guten Vorsätze und Vereinbarungen immer wieder eskaliert. Holen Sie Hilfe - etwa durch ein persönliches Coaching oder eine Mediation.

10. Kann man streiten lernen?

Beginnen Sie mit „Zeit, Ort und Sicherheit“. Dann haben Sie schon viel gewonnen. Versuchen Sie es zuerst mit kleineren Themen, die Sie vielleicht sonst nicht ansprechen. Bereiten Sie sich vor und notieren Sie: 1. Was Sie an den Beteiligten besonders wertschätzen. 2. Was Ihnen und anderen wichtig ist. 3. Was Sie besser verstehen wollen und welche Fragen Sie daher stellen werden. Und wenn Sie sich sicher fühlen, dann gehen Sie die nächste größere Sache an.

11. Und wie streitet man mit Kindern?

Da geht es oft um das Aufräumen, Mithelfen in der Küche, um Pünktlichkeit und Schlafengehen. Prinzipiell gelten hier dieselben Regeln wie für Erwachsene: Motivieren und loben bringt mehr als schimpfen. Klare Grenzen und Konsequenzen sind wichtig, die kann man auch positiv formulieren: „Wenn wir pünktlich sind, dann können wir noch zu Hause spielen.“ Dabei ist zu beachten: Erwachsenwerden bedeutet auch, erfolgreich Freiräume auszuhandeln. Das kann anstrengend sein - etwa wenn ältere Kinder sagen: „Warum darf ich nicht länger wegbleiben, du behandelst mich wie ein Kleinkind!“ Vielleicht sagt ein Elternteil dann: „Sei froh, dass sich jemand Sorgen um dich macht!“ Besser wäre, klare Richtlinien zu vereinbaren: „Ich verstehe, dass du selbstständig sein willst. Dieses Jahr ist noch schwer, und nächstes Jahr kannst du länger wegbleiben.“ Bei entsprechendem Alter finden Sie gemeinsam eine Lösung: „Mir ist wichtig, wie du nach Hause kommst. Wo genau kann ich dich abholen?“ (Zum Beispiel um die Ecke und nicht genau vor der Disco, wo es den Kindern „echt peinlich“ wäre).