Eine Jugendbande mit Tätern zwischen 13 und 18 Jahren, die eine 12-Jährige monatelang vergewaltigen. Ein 14-Jähriger, der eine 11-Jährige vergewaltigt und sein Freund filmt dabei. Solche Vorfälle lassen viele entsetzt auch mit der Frage zurück: Wieso waren diese Jugendlichen nicht zur Empathie fähig? Wie kann man verhindern, dass ein Kind so eine Entwicklung nimmt? Familientherapeut Jesper Juul hat einmal gesagt: „Erziehen kann man nur bis zum 12. Lebensjahr … ab dann kann man nur mehr begleiten.“ Was kann man also vor allem in den ersten Lebensjahren eines Kindes tun, damit es Empathie entwickelt, aber auch nicht so leicht zum Opfer wird?

Empathiefähigkeit nimmt ab

Günther Ebenschweiger hatte als ehemaliger Polizist viel mit jungen Tätern zu tun und arbeitet nun als Gewaltpräventionsexperte in Schulen und Kindergärten. Dabei geht es um Mobbing und soziales Verhalten in der Gruppe: „Ein Problem ist der häufig permissive Erziehungsstil, wo es keine Grenzen und Regeln gibt, die Eltern überfordert sind und es zu wenig Beschäftigung mit den Kindern gibt. Das sorgt für ein geändertes Sozialverhalten, die Empathiefähigkeit nimmt massiv ab.“ Wenn diese Kinder, deren Grundbedürfnisse nicht ausreichend erfüllt wurden, in den Kindergarten kommen, stellen sie schnell fest, dass sie Aufmerksamkeit bekommen, wenn sie negatives Verhalten zeigen. Vor allem, wenn andere Kinder ihre anfangs kleinen Gemeinheiten lustig finden und sich eine Gruppe an Mitläufern bildet. Die Selbstwirksamkeit, die diese „dissozialen Alphas“ so erleben, wollen sie auf keinen Fall wieder aufgeben. Je älter sie werden, desto krasser müssen die Aktionen gegen ihre Opfer werden.

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Fehlgeleitete Sexualität

Aber wie kommt es von Mobbing zu Vergewaltigungen? Ein Aspekt ist, dass Jugendliche heutzutage viel zu früh Pornos sehen und glauben, das dort gezeigte Verhalten sei normal. Philipp Leeb vom Verein Poika (zur Förderung gendersensibler Bubenarbeit) dazu im ORF: „Diese Burschen folgen einer Sexualität, die sie aus der Pornografie mitbringen. Wir wissen, dass dort Gewalt an Frauen gezeigt wird und dass Frauen dort ständig abgewertet werden.“ Treffen solche Alphas auf Opfer, die von zu Hause keine guten Konfliktlösungskompetenzen gelernt haben und oft auch nicht die Hilfe bekommen, die sie bräuchten, kann es gefährlich werden.

Grenzen wahren

Für Opfer und Täter gilt: Sie bräuchten von klein auf liebevolle Führung, ohne Übergriffe zu erleben. Dort setzt Pikler-Pädagogin Maria Salzger-Aichhorn an: Das Selbstbewusstsein von Kindern erhöhen, ihre Selbstwirksamkeit stärken, ihnen beibringen, ihre Grenzen zu wahren, ist das Ziel dieses pädagogischen Konzepts. Die drei Säulen sind die freie Bewegungsentwicklung, die die Kinder eigene Erfolge erleben lässt und das Selbstvertrauen ebenso wie die Körperwahrnehmung stärkt; die beziehungsvolle Pflege, die die volle Aufmerksamkeit der Eltern in intimen Situationen garantiert, sodass Kinder dann gerne auch wieder ins freie Spiel übergehen und dort eigene Erfahrungen machen können.

Auch die Haltung ist Salzger-Aichhorn wichtig: „Es wird oft darauf vergessen, dass vor lauter vermeintlicher Bedürfnisorientierung den Kindern auch Führung gegeben werden muss. Manchmal hört man: ‚Die Kinder können das schon untereinander ausmachen.‘ Damit lernen Kinder, dass das Recht des Stärkeren gilt. Das ist bei vernachlässigten Kindern häufig.“

Außerdem sei ein gleichwürdiges Miteinander laut der Pädagogin essenziell: „Keine Grenzüberschreitungen durch Erwachsene, denn diese haben dauerhafte Folgen. Wenn man ein ‚Stopp!‘ des Kindes nicht akzeptiert und ihm häufig signalisiert, dass die eigene Wahrnehmung nicht stimmt, dann denkt es irgendwann, dass es okay ist, auch selbst so zu handeln.“