Einen Gipsabdruck der eigenen Vulva anfertigen: Das können Teilnehmerinnen des Vulva-Workshops, der am 3. März im Rahmen der "What the Fem*?"-Ausstellung im Linzer Stadtmuseum Nordico stattfindet. Auf der Website des Museums heißt es dazu: "Bis­lang haben Hun­der­te Men­schen mit Vul­va an [den] Work­shops teil­ge­nom­men, wo sie dazu ein­ge­la­den sind, gemein­sam blankzuzie­hen und gleich­zei­tig Gedanken zu Sexua­li­tät, Geschlech­ter­gleich­heit, Unge­rech­tig­kei­ten und dem gewalt­sa­men Ein­fluss von genorm­ten Kör­per­bil­dern und Schönheitsidea­len auszutauschen".

Der bereits ausgebuchte Workshop scheint der Linzer FPÖ jedoch ein Dorn im Auge zu sein. Die Begründung: Es sei ein Unding, "Frauen unter dem Aufhänger des Feminismus immer noch auf ihre Vulva zu reduzieren", so Frauensprecherin Martina Tichler in einem Statement, das auf der Website der Linzer FPÖ veröffentlicht wurde.

Vulva-Workshop: FPÖ ortet "ordinäre Aktion"

Tichlers Ansicht nach habe der Workshop nichts mit der Förderung der Gleichstellung von Mann und Frau zu tun. Von der Linzer ÖVP-Kulturstadträtin Doris Lang-Mayerhofer fordert Tischler, "diesen Unsinn" zu stoppen. Angesichts der jährlichen Subventionen städtischer Museen durch die Stadt Linz sowie der sich verschärfenden sozialen Krisen fordere sie ein Umdenken in der städtischen Frauenpolitik.

Was den Linzer Frauen "aufgebürdet würde", sei, an "Doppelmoral nicht zu überbieten", so die Politikerin. "Während viele fleißig arbeitende und oft alleinerziehende Frauen nicht wissen, wie sie aufgrund der derzeitigen Umstände über die Runden kommen sollen, werden weiterhin öffentliche Mittel für ordinäre und für niemanden hilfreiche Aktionen bereitgestellt." Dieses Steuergeld sei für soziale Zwecke besser aufgehoben.

Künstlerin geht es um "Selbstermächtigung"

Künstlerin Gloria Dimmel - sie veranstaltet die Vulva-Workshops - sieht das anders. Sie erklärt auf Nachfrage: "Gerade das Tabu und die Schamgefühle, die um die 'ordinäre' Vulva herrschen, lassen diese übermäßige Sexualisierung und Reduktion von FINTA* auf ihr Geschlechtsteil zu, von der Martina Tichler spricht. Ich versuche mit meinem Workshop einen Raum zu kreieren, in dem aus Scham Selbstermächtigung werden kann." Mit den vielfältigen 3D-Modellen wolle sie zur Aufklärung und Normalisierung der Vulva beitragen, die nach Dimmels Ansicht teilweise nicht einmal in Aufklärungsbüchern richtig dargestellt würden. 

"Dass es die Aufregung der FPÖ braucht, um in der Öffentlichkeit über die Vulva zu sprechen, verdeutlicht einmal mehr, wie unsichtbar das Thema ist", so die Wiener Künstlerin, die seit 2017 Gipsabdrücke von Vulven produziert.

Nordico: "Nehmen Bildungsauftrag sehr ernst"

Auch das Linzer Stadtmuseum Nordico reagiert auf die Anschuldigungen der FPÖ und bekräftigt gegenüber der Kleinen Zeitung, dass man seinen Bildungsauftrag sehr ernst nehme. "Wir verstehen uns als ein Museum, das auch gesellschaftspolitisch brisanten Themen Raum bietet, wie die bestehende soziale und finanzielle Benachteiligung von Frauen", erklärt Nordico-Pressesprecherin Clarissa Ujvari im Gespräch. Gemeinsam mit feministischen Communitys wolle man mit der Ausstellung "What the Fem*?" etwa Missstände sichtbar machen sowie unerfüllte Forderungen der Frauenbewegung aufzeigen. "Wir schauen also ganz genau hin und bieten so den Besucherinnen und Besuchern an, mit vielfältigen Diskursen in Kontakt zu treten."

Der Vulva-Abdruck-Workshop mit Künstlerin Gloria Dimmel, der übrigens bereits seit Wochen ausgebucht ist, sei nur eines der vielfältigen Angebote zur Auseinandersetzung mit Feminismus aus unterschiedlichen Blickwinkeln. "Im Fokus für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die den Workshop übrigens selbst bezahlen, stehen hier Selbstermächtigung und die persönliche Auseinandersetzung mit ihrem Körper und ihrer Sexualität als auch die Sensibilisierung für Diversität von Geschlechtsorganen."

Die Ausstellung "What the Fem*?" im Linzer Stadtmuseum Nordico
Die Ausstellung "What the Fem*?" im Linzer Stadtmuseum Nordico © Violetta Wakolbinger, What the Fem*?, Nordico,

Weiters lade man FPÖ-Frauensprecherin Martina Tichler herzlich ein, das Stadtmuseum Nordico zu besuchen und mit Leiterin Andrea Bina und Kuratorin Klaudia Kreslehner zu sprechen, um sich vor Ort selbst ein Bild über die Ausstellung zu machen. Man hoffe, dass das Angebot angenommen werde, und freue sich über einen offenen Austausch.

Nordico: Einladung zur Ausstellung bisher unbeantwortet

Gekommen ist es dazu bislang nicht. Nordico-Pressesprecherin Clarissa Ujvari erklärt: "Wir haben keine Rückmeldung von FPÖ-Frauensprecherin Martina Tichler bekommen, weder ein Anruf noch eine E-Mail mit der Einladung wurden bisher beantwortet." Auch eine Nachfrage der Kleinen Zeitung bei Tichler ist bisher unbeantwortet geblieben.

Die Einladung zur Ausstellung, die feministische Perspektiven von 1950 bis heute untersucht, bleibe natürlich weiterhin aufrecht, heißt es vonseiten des Linzer Stadtmuseums. Generell erfreuen sich sowohl die Ausstellung als auch das Programm großen Zuspruchs, weitere Vulva-Workshops seien aufgrund der Dichte des Programms allerdings nicht in Planung.

Die Linzer Kulturstadträtin Doris Lang-Mayerhofer war für die Kleine Zeitung zunächst nicht erreichbar, erklärte aber gegenüber der Tageszeitung "Der Standard", dass über das Thema und die verschiedenen Sichtweisen der Ausstellung natürlich diskutiert werden dürfe und solle. "Das ist ja auch das sehr mutige und bewusst museale Experiment dieser Ausstellung." Die offen konzipierte Ausstellung lade zum Dialog ein, auch wenn nicht alle Positionen gefallen oder geteilt werden müssen.