Weißt du noch, damals? Wir Menschen mögen es, in die Vergangenheit zu blicken. Und das betrifft nicht nur die eigene Biografie. Wir sind auch fasziniert von dem, was früher war. Das zeigt sich auch jedes Jahr, wenn die Oscarnominierungen bekannt gegeben werden. Fast immer ist unter den Filmen auch einer zu finden, der historische Ereignisse zum Inhalt hat. Dieses Jahr ist es nicht anders: Die Neuverfilmung von Erich Maria Remarques Antikriegsroman "Im Westen nichts Neues" ist neunmal nominiert. Doch warum sind historische Spielfilme so beliebt? Und zeigen diese tatsächlich die Realität?
Unser Geschichtsbewusstsein wird stark von Filmen mit historischen Themen geprägt, da das Medium Film mehr Menschen erreicht, als Abhandlungen von Historikerinnen und Historikern. Während ein sich gut verkaufendes Geschichtsbuch meist einige Tausend Leser erreichen kann, ziehen erfolgreiche Filme Millionen Menschen in die Kinos und vor die Bildschirme.
Die Historiker Peter Meyers und Marica Landy sind sich sicher: Die zunehmende Visualisierung von Geschichte führe dazu, dass dieses Medium Geschichtsbewusstsein und Kulturbilder mittlerweile mehr prägt als andere Formen der Geschichtsvermittlung.
Doch der Grat der Wahrheit unterscheidet sich von Film zu Film. So kann ein historischer Spielfilm bemüht sein, die Vergangenheit möglichst exakt nachzubilden. Aber es gibt auch Filme, die ihre eigenen Geschichten erfinden, etwa um mehr Spannung zu erzeugen. Durch Fiktion wird es möglich, den Zusehern mehr Identifikationsmöglichkeiten zu bieten, indem man beispielsweise auch die "kleinen Leute" beleuchtet.
Den Vorteil, den Filme im Gegensatz zu den Erzählungen von Geschichtslehrern oder Abhandlungen von Wissenschaftlerinnen aufweisen, nannte vor einigen Jahren die mittlerweile verstorbene Historikerin Annerose Menninger: Filme sind einfach fesselnder. So überzeugt der historische Spielfilm durch eine eindringliche Bildsprache, Identifikationsfiguren, Emotionalität, geringen zeitlichen Aufwand für die Auseinandersetzung mit dem Thema und dennoch Nachhaltigkeit des Vermittelten.
Dem deutschen Erfolgsregisseur Wolfgang Becker ("Good Bye, Lenin") zu Folge, lässt sich der Boom der Historienfilme auch dadurch erklären, dass sich der Mensch gerne mit der Frage danach, was vor ihm war, auseinandersetzt und nach den Voraussetzungen dafür sucht, dass die Menschheit sich heute dort befindet, wo wir sind. Einen Film zu sehen, sei ein wenig wie das Benutzen einer Zeitmaschine. Man bekomme das Gefühl, Vergangenes wirklich erleben zu können. Regisseur James Cameron sagte schon während des Drehs seines Erfolgsfilms "Titanic": "Wir tragen große Verantwortung. Was auch immer wir produzieren, wird eine ganze Generation als historische Wahrheit akzeptieren."
Doch egal, ob authentisch oder nicht: Auf eine bestimmte Art und Weise ist jeder historische Spielfilm auch eine historische Quelle. Zwar nur bis zu einem gewissen Teil über die Zeit, die visuell dargestellt wird, aber umso mehr über jene Zeit, in der er entstanden ist. Denn Spielfilme, welche geschichtliche Themen darstellen, können als Dokument dafür dienen, wie zur Entstehungszeit (und im Entstehungsland) des Films vergangene Ereignisse gedeutet wurden, welche Mentalität vorherrschend war, wer die Feindbilder waren und welche Figuren glorifiziert wurden.
Wegzudenken sind historische Filme definitiv nicht mehr. Die filmischen Darstellungen von Vergangenem nehmen durch Streaming-Plattformen und Co. eher noch weiter zu. Wichtig wird es daher sein, den kritischen Blick auf diese Darstellungen zu schärfen und Bewusstsein dafür zu entwickeln, was man aus historischen Filmen über die Vergangenheit und Gegenwart lernen kann und was nicht.