Der Fall eines Grazer Gymnasiums, wo ein Lehrer von minderjährigen Kindern Nacktfotos gefordert hat, schlägt hohe Wellen. Sieben Schulpsychologen sind in der Schule im Einsatz, um den Vorfall aufzuarbeiten – wir haben hier berichtet. Nun rückt auch ein Begriff in den Mittelpunkt: Cyber-Grooming. Wir erklären, worum es sich dabei handelt und wie Eltern ihre Kinder vor sexueller Belästigung in sozialen Medien schützen können.
1 Was ist Cyber-Grooming überhaupt?
ANTWORT: Beim Cyber-Grooming versuchen Erwachsene sich das Vertrauen von Kindern und Jugendlichen zu erschleichen, um diese später sexuell belästigen oder missbrauchen zu können. Oft geben sie sich auch als gleichaltrige Person aus – dies soll auch beim eingangs beschrieben Vorfall so gewesen sein. Ist eine Vertrauensbasis hergestellt, werden erotische bzw. Nacktfotos gefordert.
"Es gibt auch Fälle, in welchen Gleichaltrige bzw. Personen, die zwei, drei Jahre älter sind, ebensolche Fotos einfordern, um die Opfer damit später zu erpressen", schildert Barbara Buchegger, pädagogische Leiterin von saferinternet.at.
2 Auf welchen Plattformen bzw. sozialen Medien ist die Gefahr besonders hoch?
ANTWORT: Grundsätzlich besteht das Risiko auf allen Plattformen, vermehrt aber auf jenen, auf welchen sich jüngere Kinder aufhalten. Aktuell ist hier vor allem TikTok im Fokus, wie Buchegger erklärt.
3 Auf welche Warnzeichen sollten Eltern achten?
ANTWORT: Buchegger rät vor allem darauf zu achten, ob Kinder sich verschließen. Hat man sich noch vor wenigen Wochen mit dem Kind über die Aktivitäten auf sozialen Medien unterhalten, über Snapchat-Filter oder einen TikTok-Tanz gelacht, doch plötzlich ist das Kind bei diesen Themen schweigsam? "Das kann ein Anzeichen sein, dass etwas nicht stimmt. Wenn Kindern Themen ausweichen, die sie zuvor interessiert haben, sollte man hellhörig werden."
Buchegger berichtet schon von Fällen, bei welchen die Kinder erst acht oder neun Jahre alt waren. Sehr häufig betrifft es aber Kinder im Alter von etwa zwölf, 13 Jahren. "Das ist im Normalfall jener Zeitraum, in dem Kinder eigene Online-Freundschaften schließen, neue Kontakte auch im Digitalen schließen", erklärt Buchegger.
4 Wie kann ich mein Kind im Ernstfall unterstützen?
ANTWORT: Der wichtigste Rat, den Buchegger hat: Nicht schimpfen. Denn das Kind, der Jugendliche, ist an dieser Situation niemals schuld, der Täter ist es. "Auch wenn es schwierig ist, schimpfen hilft Ihrem Kind nicht weiter." Außerdem sollte man den Groomer auf der Plattform melden und blockieren.
Den Täter sollte man anzeigen, am besten bei der nächsten Polizeidienstelle. Denn Groomig ist gemäß §208a (Strafgesetzbuch) Anbahnung von Sexualkontakten zu Unmündigen strafbar. Wichtig ist zudem, die Beweise zu sichern – also Screenshots machen, Chats und/oder Fotos abspeichern.
Wenn notwendig, können Sie auch Hilfe bei unterschiedlichen Stellen beanspruchen. Etwa bei "Rat auf Draht" oder "Die Möwe". Alle Anlaufstellen finden Sie hier.
5 Wie kann ich mein Kind schützen und Cyber-Grooming vorbeugen?
ANTWORT: Grundsätzlich sollte man mit Kindern darüber sprechen, dass nicht alle Menschen, die sich online bewegen, nur das Beste im Sinne haben. Am besten funktioniert das, wenn man immer wieder über soziale Medien spricht und diese auch mit dem Kind gemeinsam erlebt. "Man sollte wissen, wo sein Kind sich im Internet bewegt und was es dort tut", sagt Buchegger und meint damit vor allem, dass sich die Eltern sozialen Medien, die ihre Kinder nutzen, nicht verschließen sollten. "Es kann ja auch Spaß machen, gemeinsam Snapchat-Filter auszuprobieren."
Und um auf das Beispiel der Online-Freunde zurückzukommen: "Diese sollte man als Elternteil genauso behandeln, wie man das auch etwa mit Schulfreunden tut", rät Buchegger. Es gehe vor allem darum, die Kinder im Umgang mit sozialen Medien und Internet zu stärken. Dazu gehört auch, dass Kinder ihrem Bauchgefühl vertrauen lernen und selbstbewusst Nein sagen, wenn ihnen etwas unangenehm ist. "Wir als Eltern machen gern Fotos von unseren Kindern, wenn diese aber nicht wollen, und 'Nein' sagen, dann sollten wir das akzeptieren", sagt die Expertin. "So lernen Kinder, dass ihre Meinung und ihre Haltung respektiert wird."
Verbote sind auch hier, wie in vielen anderen Bereichen des Lebens, wenig zielführend. Zum zusätzlichen Schutz sollte man außerdem die Privatsphäreneinstellungen mit dem Kind durchgehen und anpassen. Besprechen Sie auch, dass persönliche Daten wie Adresse, Schule, Handynummer digital nicht weitergereicht werden sollten.