Der Klimawandel und die intensivierte Landnutzung bringen in der Pflanzenwelt Mitteleuropas mehr Verlierer als Gewinner hervor, fand ein Forscherteam mit österreichischer Beteiligung heraus. "Während die Bestände vieler Arten geschrumpft sind, konnten einige ihre Vorkommen massiv ausweiten", heißt es in einer Aussendung der Universität Wien: "Das ist ein Indiz für großflächigen Verlust an Artenvielfalt." Die Studie wurde im Fachmagazin "Nature" veröffentlicht.
Ein Team um Helge Bruelheide von der deutschen Universität Halle-Wittenberg fasste Pflanzenbestandsaufnahmen von mehr als 7700 Flächen in Deutschland zusammen. Das Vorkommen von knapp 1800 Arten wurde dort zwischen 1927 und 2020 mehrfach erfasst, so die Forscher, zu denen auch Stefan Dullinger und Sabine Rumpf vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien gehören. "Die Analyse der Daten zeigt bei 1011 der untersuchten Arten einen negativen und bei 719 einen positiven Bestandstrend", berichten sie: "Es gab demnach in den vergangenen einhundert Jahren 41 Prozent mehr Verlierer als Gewinner."
Ungleiche Verteilung
"Die Verluste verteilten sich viel gleichmäßiger als die Gewinne", so Dullinger. Das habe man mithilfe des sogenannten Gini-Koeffizienten herausgefunden, mit dem normalerweise Wirtschaftswissenschaftler die Verteilung von Einkommen und Eigentum analysieren. "Dieser Index zeigt zum Beispiel, dass in einigen Ländern der Erde die wenigen Reichen immer reicher und dafür viele Arme immer ärmer werden", schrieb er. Der Trend in Deutschlands Pflanzenwelt sei "ganz ähnlich", erklärt der Forscher: "Die Verluste sind recht gleichmäßig auf viele Verlierer verteilt, während sich die Gewinne auf wenige Arten konzentrieren."
So hätten etwa die nordamerikanischen Pflanzenspezies "Spätblühende Traubenkirsche" und Roteiche viele Wälder Deutschlands erobert, während "im großen Lager der Verlierer" sich Ackerwildkräuter wie die Kornblume, Wiesenbewohner wie die Acker-Witwenblume und Feuchtgebietsarten wie der Teufelsabbiss tummeln. "In weiten Teilen Österreichs ist mit einer ähnlichen Entwicklung in den vergangenen hundert Jahren zu rechnen", meint Dullinger.
Das stärkste Ungleichgewicht zwischen Gewinnen und Verlusten gab es der Studie zufolge zwischen Ende der 1960er-Jahre und dem Beginn des 21. Jahrhunderts. "Eingeläutet wurde diese Phase durch eine starke Intensivierung der Landnutzung", berichtet der Wiener Botaniker. Mittlerweile würden aber Naturschutzmaßnahmen Erfolge zeigen, sodass sich der Trend abgeschwächt hat.