"Diese Videos sind entsetzlich": Carol Byers, die Vereinspräsidentin von Animal Care Austria zeigt sich betroffen über die zahlreichen TikTok-Videos, in denen Besitzerinnen und Besitzer ihre Hunde offensichtlich quälen. "Die Videos machen mich wirklich traurig, wütend und verzweifelt. Sie zeigen, wie unfair die Menschen mit den Tieren umgehen."
Immer wieder trenden auf der Video-Plattform TikTok Clips, in denen Menschen ihre Hunde auf vermeintlich "witzige" Art anregen. Ein Besitzer schmeißt seinen schlafenden Hund in einem Video zum Beispiel in den Pool. Ein anderer beißt seinen Chihuahua ins Ohr. Einem weiteren Hund werden Strümpfe und Reizwäsche angezogen. Witzig ist das für die Hunde nicht. Anzeichen, dass den Hunden das nicht gefällt? Gibt es. Werden sie ignoriert? Leider. Die naheliegende Frage ist daher, wie es sein kann, dass Besitzerinnen und Besitzer derartige Videos machen und dafür auch noch Millionen von Aufrufen und Likes bekommen.
Vertrauensbrüche von Seiten der Hundebesitzer
Natürlich beinhalten nicht alle TikTok-Videos Tierquälerei. "Es ist keine Tierquälerei, wenn ein Hund von sich aus lustige Dinge macht", erklärt Diana Oldenburg. Die Influencerin hat auf Instagram unter dem Namen "el.chabbo" fast 50.000 Followerinnen und Follower, auf TikTok ganze 647.600. Sie kämpft auf ihren Social Media-Kanälen bereits seit Jahren für Tiere und klärt über tierquälerisches Verhalten in TikTok-Videos auf. "Ab dem Punkt, an dem man dem Tier zu seiner eigenen Belustigung etwas aufzwingt, woran es aber keinen Spaß hat und wodurch es sich vielleicht auch unwohl fühlt, ist das nicht in Ordnung.”
Carol Byers sieht in solchen Videos zudem häufig große Vertrauensbrüche von Seiten der Hundebesitzerinnen und -besitzer. Doch wie kann man erkennen, dass sich ein Hund gerade nicht wohlfühlt oder sogar gestresst ist? Byers erklärt, dass es eine bestimmte Wartezeit gebe, in welcher der Hund versuche, den Körper des Menschen zu lesen. Zudem versuchen Hunde, Körperkontakt zu vermeiden und direkten Augenkontakt aufzubauen. Um dem Besitzer oder der Besitzerin das Unwohlsein und den Wunsch, in Ruhe gelassen zu werden, mitzuteilen, fangen die Hunde auch an, sich die Lippen und Läppchen zu lecken.
Wenn aber all diese Anzeichen von den Besitzerinnen und Besitzern ignoriert werden, kann es dazu kommen, dass der Hund beißt. Wenn das passiert, leiden die Hunde darunter: Da sind sich Influencerin Diana Oldenburg und "Animal Care Austria"-Vereinspräsidentin Carol Byers einig. "Manchmal kostet diese Tierquälerei den Tieren das Leben", so Byers. In Österreich habe man das große Glück, ausschließlich Tierheime zu haben, die keine Hunde töten - aber das sei nicht überall in Europa und auch nicht in Amerika der Fall. Wenn die Hunde dann in eine neue Familie kommen, sei es sehr schwierig für sie, mit neuen Leuten eine Vertrauensbasis aufzubauen. Hunde seien aber zum Glück sehr versöhnlich. Mit viel Zeit und Liebe würden sie die Vergangenheit überwinden und Vertrauen aufbauen können.
Warum werden Clips geklickt, die Tierquälerei zeigen?
Dass Tierquälerei oft auch noch per Video aufgezeichnet und auf Social Media, besonders auf TikTok, verbreitet wird, bringt nochmal eigene Gefahren mit sich. Auch Influencerin Diana Oldenburg steht dem kritisch gegenüber: "Wir haben ja auch sehr sehr junge Leute auf Social Media. Angenommen, es sieht ein Kind diese Trends und provoziert den eigenen Hund. Es sieht vielleicht nicht diese Anzeichen, wodurch der Hund kommuniziert, dass er das nicht möchte. Dann besteht natürlich die Gefahr von Beißvorfällen." Eine weitere Gefahr sei, dass man den eigenen Hund nicht mehr als fühlendes Lebewesen wahrnehme. "Es ist dann nur noch die Aufgabe dieser Hunde, den Menschen zu belustigen und ihm Reichweite sowie Klicks zu bringen. Man nimmt die Bedürfnisse, Gefühle und Emotionen des Hundes nicht mehr ernst und sieht ihn nicht mehr als ein fühlendes Lebewesen."
Warum die Clips dennoch Millionen von Aufrufe bekommen, führt die Influencerin auf mehrere Komponenten zurück. Die größte sei ihrer Ansicht nach Unwissenheit, weil Menschen das Verhalten von Hunden nicht richtig einschätzen könnten. Vor allem Hundekommunikation und Hundekörpersprache seien sehr fein. "Viele Leute sehen das gar nicht, die denken: 'Ja, der Hund würde es doch sagen, wenn er das nicht will.' Und ich denke mir: 'Ja, der sagt es aber.’'"
Diana Oldenburg: "Diese Videos sollte man nicht liken"
Die große Beliebtheit lasse sich aber auch damit erklären, dass Menschen Extreme feiern würden. Hunde seien, wenn man sich in Ruhe lasse, sehr entspannt. Das sei für Social Media natürlich "langweilig". Wenn man Social Media aufruft, wolle man aber unterhalten werden, beispielsweise durch "lustige" Tiervideos. Die hohen Abrufzahlen würden zudem von der Gruppendynamik kommen, die solche Videos auslösen können. Durch die Interaktion werde der Beitrag noch mehr Userinnen und Usern angezeigt.
"Diese Videos sollte man dann wirklich melden, nicht liken, nicht teilen und nicht damit interagieren", so Diana Oldenburg. Außerdem solle man sich Wissen über Hunde aneignen, sodass man lernt, bei diesen Videos zu erkennen, dass es den Hunden nicht gut dabei geht. "Ich würde mir wünschen, dass die Menschen mehr Wissen und mehr Verständnis für Hunde bekommen, damit diese Videos keine Reichweite mehr bekommen."
Vorgehen, wenn man Tierquälerei beobachtet
Beobachtet man einen Fall von Tierquälerei, kann man kaut Animal Care Austria Vereinspräsidentin Carol Byers wie folgt vorgehen: "Es gibt in allen Bundesländern eine Tierschutz-Ombudsstelle. Wenn man sieht, dass etwas nicht in Ordnung ist und ein Tier leidet, würde ich sofort dort anrufen. Es gibt auch viele Petitionen, die gegen Tierquälerei sind. Es dauert nur eine Minute und man hat etwas Sinnvolles gemacht. Man kann auch Tierschutzorganisationen anrufen."
Sarah Oltean