Hinweis: Dieser Artikel ist zunächt bei Futter, dem jungen Magazin der Kleinen Zeitung erschienen.
Immer wieder berichten Insider der Mode-Branche darüber, dass sie durch Aufträge regelrecht in die Magersucht getrieben werden. Mehr darüber etwa hier. Seit einiger Zeit finden aber auch Gegenbewegungen statt.
"In den vergangenen zwei Jahren haben wir tatsächlich festgestellt, dass die Nachfrage nach Plus Size Models sehr groß ist. Dementsprechend mussten wir die Kartei ausbauen", heißt es seitens der deutschen Agentur "The Models". Dass das Interesse an Plus Size Models steigt, ist laut Branchen-Insidern längst überfällig. Denn das, was allgemein unter Übergröße bekannt ist, entspricht eigentlich dem Durchschnitt.
Schönheit durch Diversität
"Bei einer Körpergröße von zirka 1,65 Metern und einem Gewicht von 68 Kilogramm, ist man im deutschen Durchschnitt und das wiederum entspricht der Konfektionsgröße 42/44", so die Auskunft der Agentur. "Bei uns in der Kartei gehen die Plus Size Models bei den Frauen ab dieser Konfektionsgröße los." Bei den männlichen Plus Size Models startet man ab Größe 58/60. Generell zeichne sich Schönheit durch Diversität aus: "Der Kunde fragt nicht nach klassischen Models mit Size Zero. Es sind untypische Merkmale gefragt, sprich Narben, Zahnlücken, Sommersprossen oder eben auch Curvy und Plus Size Models."
"Mir ist es schwergefallen, meinen Körper zu akzeptieren"
Diese Entwicklungen sind begrüßenswert. Trotzdem erfolgt das Umdenken nur langsam. Selbst erfolgreiche Plus Size Models haben mit unrealistischen Vorstellungen und verzerrten Wahrnehmungen zu kämpfen, wie Yma erklärt. Sie trägt Größe 42/44 und wird regelmäßig von "The Models" vermittelt. Die 23-Jährige lebt in Berlin. "Mir ist es in der Vergangenheit sehr schwergefallen, meinen Körper zu akzeptieren", sagt Yma. "Ich hatte sehr viel mit Mobbing zu kämpfen und wurde oft ausgegrenzt." Das Resultat? Sie wurde depressiv. Auch in eine Essstörung geriet Yma: "Da bin ich zum Glück herausgekommen, aber es war eine schwere Zeit." Heute weiß Yma aber auch, dass sie ohne diese Zeit nicht gelernt hätte, sich so zu lieben, wie sie es heute tut. Noch heute habe sie oft Tage, an denen sie sich nicht wohlfühlt. "Der Prozess ist noch nicht abgeschlossen", so das Model.
"Es war ein langer Weg"
Bodypositivity ist ein Begriff, der oft mit Frauen in Verbindung gebracht wird. Doch auch Männer werden stark unter Druck gesetzt, obgleich darüber weniger geredet wird. Daniel wurde unter anderem durch die Sat1-Show "No Body is perfekt" bekannt. Auch auf größere Shootings kann er zurückblicken - die Resultate eines Auftrags sind sogar im Shopping-Portal Zalando zu sehen. Heute wird auch er regelmäßig von "The Models" als Plus Size Model vermittelt. "Tatsächlich war das bei mir auch ein langer Weg, dass ich mich akzeptieren konnte", sagt der 38-Jährige, der Konfektionsgröße 60/62 trägt. Als Teenager traute er sich oft nicht ins Schwimmbad oder trug lange Hosen, weil er sich schämte. Nach und nach lernte er aber, sich so zu akzeptieren, wie er ist: "Ein Geheimrezept gibt es da natürlich nicht, das muss jeder für sich selbst herausfinden."
Die Bodypositivity-Bewegung in den sozialen Medien begrüßt er sehr. "Wobei ich mir wünschen würde, dass das aus den sozialen Medien in alle anderen Medien übergeht." Fernsehen, Print und Co. sollten ebenfalls offener werden: "Es geht nicht nur darum, dass Übergewichtige in die Medien kommen wollen, es geht um alle Körper, die nicht der Norm entsprechen." Daher sei es wichtig, dass Medien darauf genauer eingehen. Und: Nach wie vor werden Männer laut Daniel oft in der Debatte außen vor gelassen. Er sieht sich dabei als Vorbild: "Man muss sich als Mann nicht schämen, für so etwas einzustehen."
Keine Diäten
Von Diäten hält Daniel übrigens wenig: "Ich hab mal einiges abgenommen und bin da auch grade wieder etwas dran, was ich aber nicht durch eine Diät geschafft habe." Bewusste Ernährung und Bewegung seien viel nachhaltiger.
Zusätzlich zur Bodypositivity-Bewegung gibt es übrigens einen weiteren Trend, der in Richtung Body Neutrality geht - soll heißen: Es ist okay, wenn man seinen eigenen Körper nicht 365 Tage im Jahr liebt. Der gesellschaftliche Fokus auf Konfektionsgrößen und Figur soll dabei verlegt werden - auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben.
Claudia Mann