Mädchen werden mit der Farbe Rosa assoziiert, Buben mit Blau – aber warum eigentlich? Es ist eine zweidimensionale Sichtweise, an der sich die Gesellschaft seit Jahrhunderten orientiert, eine binäre Einteilung, die nicht viel Spielraum zur Entfaltung bietet.

Dass es sich bei Gender (Geschlecht) mehr um ein Spektrum als eine Medaille mit zwei gegensätzlichen Seiten handelt, darüber kommuniziert die breite Masse erst seit wenigen Jahrzehnten offen – ein Resultat gesellschaftlicher Tabus der Vergangenheit, die sich durch die Weitergabe von anerkannten "Normen" über Generationen bis in die Jetztzeit ziehen.

Ein offenerer Umgang mit der eigenen Sexualität und der eigenen Definition von Geschlecht auch auf der Ebene der sozialen Medien hat eine Basis für einen sich verändernden Umgang mit klassischen Geschlechterrollen geschaffen. Eine inklusive Gesellschaft, in der sowohl die sexuelle Orientierung als auch die persönliche Geschlechteridentifikation nicht zu Diskriminierung im Alltag führt, ist derzeit für viele Mitglieder der LGBTQIA+-Community (Lesbian, Gay, Bi, Trans, Queer, Inter, Asexual) allerdings noch immer mehr Wunschtraum als Realität.

Basis liegt in der Bildung

Unter dem Titel "Ungendered Lifestyle" wurde am Fifteen Seconds Festival in Graz vor Kurzem unter anderem über den Einfluss des Geschlechts in der Arbeits- und Lebensrealität queerer Personen diskutiert. "Wir leben immer noch in einer Welt, deren Grundkonstrukt auf eindimensionalen Geschlechterrollen fußt, obwohl Genderfluidität historisch bereits seit Jahrtausenden existiert. Anstatt Menschen den Raum zu geben, sich so zu präsentieren, wie es sich für sie richtig anfühlt, drängt die Gesellschaft jede Person konstant in ein binäres System", sagen Sabah Choudrey und Bernie Ledinsky. Choudrey setzt sich als muslimischer Trans-Mann für die queere PoC-Community (People of Colour) ein, Ledinsky ist Dragqueen Candy Licious.

Für Ledinsky liegt die Wiege einer inklusiveren Gesellschaft unter anderem in der Bildung. "Würde man Kindern von Anfang an unterschiedliche Familienbilder, die auch queere Personen beinhalten, näherbringen, und LGBTQ in das System integrieren, würde das eine Bewegung weg von diesem starren Konstrukt bewirken", ist Ledinsky überzeugt.

Freiheit, zu experimentieren

Das beginne bereits damit, Kindern in jungen Jahren die Freiheit zu lassen, zu experimentieren: "Warum sollen Kinder nicht mit Puppen und auch Bauklötzen und Baggern spielen?" Viel mehr solle der Fokus darauf liegen, Kindern Auswahl zu bieten, um ihren Horizont zu erweitern. Mit inklusiven Kinderbüchern, die kindgerecht eine diverse Gesellschaft mit verschiedenen Geschlechteridentitäten und Menschen unterschiedlicher Herkunft und Orientierung abbilden, könne die Basis für eine offenere Gesellschaft geschaffen werden, die sich nicht mehr so stark durch festgesetzte Rollen definiert.

Auch den Einfluss der Modewelt spricht Ledinsky an. "Derzeit gliedern Modeunternehmen ihre Ware in männlich und weiblich, doch wer schreibt vor, wer einen Rock tragen darf und wer nicht. Ohne ein explizites Label müsste man nicht mehr diskutieren, welchem Geschlecht etwas zuzuordnen ist." Vor allem kleine Marken orientieren sich häufig schon an dem "ungegenderten System" – "und sind damit in der Modewelt anderen um ein großes Stück voraus".