Sie experimentieren in Ihren Outfits gerne mit Farben, wie würden Sie Ihren eigenen Stil definieren und wie hat er sich entwickelt?
Christl Clear: Ich glaube, ich würde meinen eigenen Stil einfach als authentisch beschreiben. Ich habe das Glück, dass mir tatsächlich jede Farbe steht, das heißt aber nicht, dass ich nicht auch einmal weniger knallig angezogen bin. Manchmal liebe ich einen klassisch schwarzen Look, auch wenn das die meisten Leute dann ein wenig irritiert (schmunzelt). Im Grunde wundert es mich gar nicht, dass ich mich gern bunt anziehe, da meine Mutter mir das immer schon ein wenig vorgelebt hat. Außerdem habe ich nigerianische Wurzeln, da spielen Farben eine große Rolle.
Die Modewelt ist immer noch geprägt von einer gesellschaftlichen Norm, der kaum eine Frau entsprechen kann, auch wenn sich die Industrie immer wieder damit brüstet, inzwischen fortschrittlicher zu sein. Bemerken Sie selbst etwas von diesem „Fortschritt“?
Ich denke schon, dass es einen Fortschritt gibt, dieser aber nicht so groß ist, wie wir eigentlich glauben. Wir freuen uns immer, wenn wir auf der Fashion Week Models auf dem Laufsteg sehen, die nicht schlank sind, was wir aber oftmals nicht am Radar haben, ist, dass man die Outfits dann so im Shop dann nicht kaufen kann. Ein Beispiel: Als Frau mit Größe 48 kannst du nicht einfach ins Geschäft laufen und nach dem Kleid verlangen, das du am Runway gesehen hast, denn es wird in dieser Größe nicht verfügbar sein, das gibt es dann einfach nicht.
Wie sieht es mit nachhaltiger Mode aus?
Es ist unglaublich schwer, schöne und stylische nachhaltige Mode in großen Größen zu finden, wenn es nicht gerade Marken wie "dariadéh" sind. Ich bekomme immer mit, dass Menschen "Fast Fashion" kritisieren, aber man muss auch so ehrlich sein, zu sagen, dass die Auswahl an nachhaltiger Mode für dickere Menschen, die Wert auf Stil legen, am Ende des Tages sehr gering ist - zumindest in Europa.
Fällt Ihnen neben "dariadéh" noch aus dem Stegreif eine Marke ein, die nachhaltig und in großen Größen produziert?
"Valle ō Valle" würde mir jetzt noch einfallen, aber ad hoc kommt mir sonst kein Label in den Sinn. Abgesehen davon, dass nachhaltige Mode für viele Menschen auch nicht leistbar ist, finde ich das schon ein wenig traurig. Deswegen bin ich bei der Diskussion rund um Fast Fashion immer sehr vorsichtig. Darüber, dass diese Art, Mode zu produzieren, schlecht ist, braucht man nicht mehr zu diskutieren, aber der Fisch fängt immer am Kopf zu stinken an. Ich finde es schwierig, auf Menschen hinzuhauen, die Fast Fashion kaufen, denn es gibt einfach nicht viele Alternativen für Frauen, die größere Größen brauchen.
Was ist für Sie in dieser Misere der Kompromiss?
Ich will keine Werbung für Fast Fashion machen, im Gegenteil, aber ich habe viele dieser Teile dann für Jahre, einfach weil ich gezielt zeitlose Stücke einkaufe. Sie sind vielleicht dann in fünf Jahren nicht mehr in Mode, gefallen mir aber trotzdem, dann trage und kombiniere ich sie eben anders. Das macht meiner Meinung nach den Unterschied, aber so sieht man auch, mit welchen Herausforderungen dickere Menschen konfrontiert sind.
Wie kann diese Vernetzung von Inklusion und Nachhaltigkeit in der Modewelt auf dem derzeitigen Stand trotzdem funktionieren?
Wir versuchen inzwischen auf so vielen Ebenen die Welt zu verbessern, aber wir müssen aufpassen, das nicht aus einer sehr eindimensionalen Perspektive zu machen. Man kann nicht immer nur in eine Richtung denken, das Bild ist einfach größer. Solange das Angebot nicht da ist, müssen Menschen mit mehr Gewicht in Alternativen denken. Wenn ich ein stylisches Teil einer nicht nachhaltigen Marke kaufe, lange trage und dann weiterverkaufe, sehe ich das ebenfalls als nachhaltig an und dazu stehe ich auch ganz offen.
Wir bekommen auf Social Media ständig das Bild eines Ideals kommuniziert, dem kaum jemand entsprechen kann, haben Sie Erfahrungen damit, wie sich das auf die Psyche eines Menschen auswirken kann?
Bevor ich Influencerin geworden bin, war ich selbst in der Medienbranche als Redakteurin tätig und hatte dadurch den Vorteil, zu wissen, dass Menschen auf Fotos in Magazinen und auf Social Media im echten Leben nicht so aussehen. Zudem hatte ich das Glück, wenn man es als solches bezeichnen kann, dass ich mich mit den Frauen, die im Fernsehen oder in den Zeitschriften gezeigt wurden, nicht identifizieren konnte, weil sie nicht so aussehen wie ich. Ich hatte auch nicht das Bedürfnis, mich mit ihnen zu identifizieren, weil sie so weit weg von mir waren, dass ich gar nicht erst angefangen habe, mich mit ihnen zu vergleichen.
Das ist aber leider nicht die Norm.
Das stimmt und bei mir hat das auch viel damit zu tun, dass ich von Frauen umgeben war, die ich urtoll fand - meine Mama, meine Schwester, meine Tanten, meine Cousinen. Afrikanische Ideale sind oftmals auch ganz anders. Vielleicht war es ein Schutzmechanismus meinerseits, aber ich habe mich immer mehr darauf fokussiert als zu versuchen, mich mit dem blonden Mädel zu identifizieren, das im Fernsehen sowieso ein ganz anderes Leben lebt als ich. Ich weiß nicht, wie ich das geschafft habe.
Kann man dem Einfluss der sozialen Medien überhaupt entkommen?
Die Leute leben dir ein Leben vor, das es nicht gibt und nicht erreichbar ist. Das geht auf die Psyche, wenn man dazu tendiert, sich zu vergleichen. Deswegen sage ich immer wieder, dass der eigene Feed divers sein muss. Man muss sich auf Instagram und TikTok öffnen und einen Einblick in Menschenleben bekommen, die nichts mit dem eigenen zu tun haben - dazu gehören unter anderem Leute, die nicht normschön sind, die eine Behinderung haben, die Migrationsgeschichte haben, Menschen in unterschiedlichen Arten von Beziehungen. Dadurch beginnt man inmitten dieser Social Media Blasen wieder zu sehen, wie vielseitig das Leben ist. Auf der Straße sehen schließlich auch nicht alle Menschen gleich aus.
Wie schätzen Sie die Relevanz von Medienkompetenz in Bezug auf die Modewelt ein?
Ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig es ist, Sachen zu hinterfragen, ist für mich der Podcast "Fallen Angel", in dem all die Dinge aufgedeckt werden, die bei Victoria's Secret im Hintergrund abgelaufen sind. Es ist ein Wahnsinn, was diese Frauen da erzählen. Deswegen wäre es so wichtig, dass Medienmacher und -macherinnen, Influencer und Models zeigen, wie ihr Alltag wirklich ist, wie Shoots funktionieren, was hinter Reels und TikToks wirklich steckt. Filter und Licht haben so einen großen Einfluss darauf, wie ein Foto aussieht.
Auch das Konzept von Kleidergrößen ist zu hinterfragen, schließlich schneidet jedes Unternehmen anders.
Konfektionsgrößen sollten grundsätzlich nur als Richtwert gesehen werden. Frauen würden sich wohler fühlen, wenn sie sich von dem Gedanken trennen könnten, in irgendeine Größe hineinpassen zu müssen. Es ist nur eine Ziffer. Wenn du ein Kleidungsstück in unterschiedlichen Stores anprobierst, wird es immer anders geschnitten sein, das zeigt, dass Größen nur ein Konstrukt sind.
Was muss sich in der Modewelt ändern, um auch Menschen außerhalb dieser konstruierten Normschönheit mehr Raum zu geben?
Es braucht diversere Führungspositionen in allen Belangen, egal ob Fast, Luxury und High End Fashion. Und einen diverseren Zugang zu Modethemen in den Medien. Ich erinnere mich außerdem an einen Artikel, den ich einmal geschrieben habe, "Bikinis für jeden Körpertyp" war das Thema, so etwas war Anfang 2000 ganz normal und hat sich super verkauft. Ich sollte Leserinnen und Lesern diktieren, was sie tragen dürfen und habe mich selbst aber nicht an diese dummen Regeln gehalten und getragen was ich wollte. Damals habe ich erst realisiert, wie toxisch das alles ist und bin froh, dass die Chefredaktion mich die Geschichte auf „Fünf neue Bademodentrends“ hat ändern lassen."
Wo sehen Sie noch Potenzial für Veränderung?
Langfristig müssen wir uns durchsetzen und Labels fördern, die inklusiv sind, und ihnen die Möglichkeit geben, große Größen zu produzieren. Es braucht allgemein einfach mehr Sichtbarkeit für diese Art von Körpertyp. Die Durchschnittsgröße in Österreich beträgt 42, nicht 34. Darüber müssen wir einfach mehr sprechen.