Zuerst infiziert und mittlerweile wieder wohl auf: Bis gestern, dem 30. November 2021, wurden laut Sozialministerium 1.007.909 Genesene in Österreich gemeldet. Demnach gibt es hierzulande bereits über eine Million Menschen, die nach einer Coronainfektion oder Covid-Erkrankung wieder als kuriert gelten. Dennoch scheint diese Gruppe in der öffentlichen Diskussion oft vergessen. Wird über Lockdown oder Zutrittsregeln gesprochen, ist meist nur von Geimpften und Ungeimpften die Rede. Genesene werden oft bei den Geimpften „mitgedacht“. Dabei lassen sich diese beiden Gruppen nicht einfach in einen Topf werfen – so gibt es etwa im Hinblick auf die Immunität Unterschiede.
Viele Faktoren
Oft stellte sich in den letzten Monaten die Frage: Wer ist besser geschützt – Geimpfte oder Genesene? Ganz so leicht kann man das nicht beantworten, wie Virologe Lukas Weseslindtner von der Med Uni Wien erklärt: „Verallgemeinernd kann man keine Aussage treffen, denn die Immunität, die ein Mensch entwickelt, ist von vielen komplizierten und individuellen Faktoren abhängig.“ So können das Alter und auch genetische Faktoren beeinflussen, wie stark der Schutz ausgebildet wird.
Unverwundbar sind auch Genesene nicht. Eine erneute Infektion ist möglich. „Was wir beobachten konnten ist, dass nach ungefähr sechs Monaten vermehrt Reinfektionen und Impfdurchbrüche auftreten. Die Erklärung dafür ist ganz einfach: Durch Delta haben wir es mit einem ganz anderen Virus zu tun“, so der Experte. Denn bei dieser Variante brauche es eine viel geringere Anzahl an Viren im Körper, um eine Erkrankung zu verursachen. „Das wirkt sich bei Genesenen genauso aus, wie bei Geimpften.“
Mehr Antikörper
Aber im Hinblick auf die verschiedenen schützenden Funktionen des Immunsystems gibt es Unterschiede. „Im Großen und Ganzen ist es so, dass man kurz nach der Impfung eine höhere Zahl an neutralisierenden Antikörpern hat, als nach einer überstandenen, milden Infektion“, so der Virologe. Diese spielen eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, sich gar nicht erst anzustecken: „Kommt man mit dem Virus in Kontakt, scheidet man über die Schleimhäute Antikörper aus. Diese fangen das Virus ab, bevor es überhaupt in die Zellen kommt“, sagt Weseslindtner.
Doch auch durch eine Genesung ergeben sich Vorteile: „Bei einigen Menschen bleibt die Konzentration an neutralisierenden Antikörpern nach einer Infektion über einen längeren Zeitraum stabil, während sie nach der Impfung schnell wieder absinkt.“, sagt der Experte. Zusätzlich kommt es aber auch auf die Gedächtniszellen an. Diese sind im Körper dafür zuständig, das Immunsystem an ein bekanntes Virus zu erinnern. Infiziert man sich nach einer vorherigen Infektion oder Impfung, kann der Eindringling schneller erkannt, bekämpft und beseitigt werden.
„Von einer Superimmunität bei Genesenen kann man also aber nicht sprechen. Allerdings steigt die Immunität von Genesenen enorm an, wenn sie sich danach auch noch impfen lassen.“ Denn die Impfung sorgt nicht nur für mehr neutralisierende Antikörper: „Durch den Kontakt mit der Impfung wird das Immunsystem nochmals an das Virus erinnert. Dadurch wird das immunologische Gedächtnis noch schneller“, so Weseslindtner. Sollte es dann also zu einer Infektion kommen, wird das Virus noch rascher vom Immunsystem angegriffen. Das hat zur Folge, dass die Erkrankung im Regelfall dann nur noch mild verläuft. „Zur Impfung sei Genesenen daher unbedingt zu raten.“