Welche Wirkung ein Lockdown für Ungeimpfte, wie er in Oberösterreich und Salzburg vor der Tür steht, tatsächlich entfalten kann, ist für den Epidemiologen Gerald Gartlehner schwer abschätzbar. Es gebe für eine solche Maßnahme kein Beispiel und keine Evidenz. In den beiden genannten Ländern mit ihren "sehr hohen Zahlen" glaubt der Experte im Gespräch mit der APA aber, "dass es zu wenig ist". Gartlehner würde hier für ein Aussetzen von Veranstaltungen für vier Wochen plädieren.

Käme der Ungeimpften-Lockdown österreichweit, glaubt der Experte für Evidenzbasierte Medizin von der Donau-Universität Krems, dass sich in Bundesländern wie dem Burgenland, der Steiermark oder Wien dadurch die Covid-19-Infektionslage stabilisieren kann. Eine Stabilisierung bringe aber Oberösterreich und Salzburg wenig, "weil das Gesundheitssystem das auf die Dauer nicht aushalten würde. Die müssen schauen, dass die Zahlen rasch und drastisch nach unten gehen".

"Schleierhaft, die das kontrolliert wird"

Gegenüber den erst kürzlich gesetzten 2G-Regelungen käme durch den Lockdown für Ungeimpfte nicht sehr viel mehr an Einschränkung dazu. "Abgesehen davon ist mir schleierhaft, wie das Ganze kontrolliert wird", so Gartlehner: "Der Zusatznutzen ist zu klein, dass Oberösterreich und Salzburg aus diesem Schlamassel herauskommen." Für die beiden Länder werde es nun "richtig schwer".

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Wenn in Oberösterreich und Salzburg ein Lockdown auch für Geimpfte und Genesene mit seinem bekannten Effekt auf die Kontaktreduktion aus nachvollziehbaren politischen Gründen nicht möglich sei, "sollte man Veranstaltungen für Geimpfte und Ungeimpfte zumindest für die nächsten vier Wochen einmal absagen", so Gartlehner. So könnten sich Kontakte merklich reduzieren, so die Einschätzung des Experten, für die es aufgrund der neuartigen Situation aber keine hinreichenden Belege gebe. Oberösterreich setzt etwas in der Art auch tatsächlich ab Montag bis 6. Dezember um, in dem Veranstaltungen mit Ausnahme von Events im "professionellen Kultur- und Sportbereich" untersagt werden.

"Impfpflicht im Gesundheitssektor überfällig"

Für den Rest Österreichs stellt sich die Frage, ob die Zahlen tatsächlich stabilisiert werden können, oder ob auch andere Bundesländer vielleicht nur zwei oder drei Wochen hinter der dramatischen Entwicklung zurückliegen und die gleichen Probleme auftauchen. Sehr positiv beurteilt Gartlehner, dass es nun endlich eine Impfpflicht im Gesundheits- und Pflegesektor geben soll. Diese war "überfällig" und sollte auf jeden Fall bundesweit umgesetzt werden, um Abwandern von Impfunwilligen Gesundheitsbediensteten zu vermeiden.

Relativ kurzfristig etwas an der sich zuspitzenden Situation ändern könne jedenfalls ein Vorziehen von Drittimpfungen. "Ich würde das für sehr sinnvoll halten, weil man doch innerhalb einer Woche bzw. zehn Tagen die Leute wieder auf eine hohe Immunität bringen kann. Israel hat uns ja vorgemacht, wie man sich aus der Welle herausimpfen kann", sagte Gartlehner: "Das sollte man hierzulande in dieser Welle forcieren." Verbunden war das im Fall von Israel mit dem Verlust des Grünen Passes nach sechs Monaten.

Das Bild der "Pandemie der Ungeimpften", das auch der Experte verwendet hat, lasse sich in der aktuellen, speziellen Situation nicht mehr ganz aufrecht halten. Die Pandemie betreffe natürlich auch die Geimpften wieder "genauso - und wenn es nur indirekt ist, wenn Operationen verschoben werden". Mit der bei vielen Menschen rund ein halbes Jahr nach der Impfung nun zunehmenden schwinden Impfeffektivität kämen aber auch tendenziell mehr Geimpfte ins Krankenhaus. "Es ist nicht vorbei - und das mussten wir schmerzhaft lernen in den letzten Wochen", so Gartlehner.