"Acht Uhr abends im August am Tagliamento! Der Abend ist ein einziger Duft nach Heu und Wiesenblumen." Pier Paulo Pasolini setzte in seinem Schreiben seiner Heimat ein Denkmal. Der Tagliamento, einer der wenigen ungezähmten Flüsse der Alpen, mäandert durch Friaul, nimmt sich wie natürlich den Raum und wirkt so melancholisch wie wunderschön zugleich. Pasolini, Schriftsteller, Filmemacher, Denker, politischer Aktivist und einer der aufregendsten Italiener des 20. Jahrhunderts (und einer, der aufregte), kommt aus dieser Gegend. In "Amado mio" beschreibt er nicht nur die Liebe des jungen Desiderio zum Burschen Chini, es ist auch ein Fluss, der wie das Abbild eines längst vergangenen Sommers durch den Roman fließt.
Geboren in Bologna, lebt er einige Jahre in und in der Nähe von Casarsa della Delizia. Eine lange Brücke spannt sich über den Tagliamento, um den Ort zu erreichen. "Poesie a Casarsa" ist eine lyrische Hommage im friulanischen Dialekt seiner Heimat: "Fontàne d'àghe dal mè paîs", der Wasserbrunnen seines Dorfes ist eine Erinnerung, wie ein Bild von früher. Im "Centro Pier Paolo Pasolini" ist derzeit eine aktuelle Ausstellung zu sehen, die sich den friulanischen Jahren des 1975 ermordeten Weltstars annimmt. "Darin schreibt er kein Friulanisch von Casarsa, es ist eines von Udine", erklärt Rienzo Pellegrini, neben Präsidentin Flavia Leonarduzzi und Piero Colussi für das Pasolini-Zentrum zuständig. Das an der Piazza Italia gelegene Museum zeigt derzeit viele Briefe, Fotos und Bilder von Pasolini. Diese kleine lyrische Hommage, das "Fontàne d'àghe", wandelt Pasolini im Laufe der Jahre und nähert sich sprachlich auch dem Dialekt seiner Heimat. Nach einem Caffè an einem der an der Piazza Italia gelegenen Bars lockt der Spaziergang zum 20 Minuten entfernten Friedhof, wo der Dichter begraben liegt.
In der flirrend trockenen italienische Hitze, vorbei an verdorrtem Gras, den Weinreben und den Zypressen, die am Eingang zum Friedhof, kerzengerade Spalier stehen, führt der Weg. Pasolini wurde hier neben seiner Mutter begraben. Pasolini hat wie ganz natürlich in Italien und darüber hinaus mit seinen Polemiken wie "Das Gefängnis und die Brüderlichkeit der homosexuellen Liebe" und seinen Filmen ("Die 120 Tage von Sodom" war in vielen Ländern verboten) polarisiert. Neben der Drastik seines Wirkens steht auch das Lyrische, das Sanfte, das Melancholische.
Einer, der Pasolini schon in seinen jungen Jahren kannte und fotografierte, ist Elio Ciol, ein international renommierter Fotograf, der derzeit seine "Respiri di viaggio" in Casarsa zeigt. Es sind hochpoetische Reiseaufnahmen aus der ganzen Welt. Das Guggenheim Museum in Bilbao, Landschaftsaufnahmen in Nepal oder die Mauern von Khiva (Usbekistan) werden gezeigt. Es ist ein Spiel mit Perspektiven, Licht und Schatten. "Ich habe schon als Kind fotografiert", sagt Elio Ciol, der quasi als Fotograf geboren wurde und dessen Werke heute im "Metropolitan Museum of Art" in New York genau so hängen wie im "Victoria and Albert Museum" in London. Mit der Schwarz-Weiß-Fotografie aufgewachsen, würde jedoch das Motiv die Filmwahl entscheiden. Ciol (Jahrgang 1929) und sein Sohn Stefano haben die Ausstellung im "Spazio espositivo ex Sala Consiliare" selbst gestaltet: "Es ist eine Auswahl meiner Reisen", sagt der rüstige Herr.
Auch Ciol hat seiner Heimat in vielen Fotografien ein Denkmal gesetzt, auch dem Tagliamento. Wie ein Gemälde wirkt eines seiner Foto, an dessen Ufer eine Person auszumachen ist. Man kann sich gut vorstellen, wie Pasolini an den Ufern des großen friulanischen Flusses stand, sein eigenes Spiegelbild betrachtete und eine Handvoll Wasser schöpfte. "A no è àghe pi frès-cie che tal mè paîs" dichtete er und dachte dabei vielleicht auch an den Tagliamento: Es gibt kein frischeres Wasser als in seinem Dorf - in seiner Heimat.