Das Coronavirus ist aus vielerlei Gründen besonders tückisch. Aus Virus-Sicht sind die zwei größten Meilensteine wohl, dass viele Infizierte die Erkrankung gar nicht merken oder nur leichte Symptome spüren, dass man die Infektion auch als grippalen Infekt oder Schnupfen abtun könnte. Zeigt sich schließlich doch, dass man infiziert ist, besteht die Gefahr jemanden angesteckt zu haben. Doch, was tun, wenn ein lieber Freund, die Großmutter oder ein Elternteil schwer erkrankt und einen nun Schuldgefühle plagen? 

Umstände hinterfragen

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"Keine Schuld oder Kontrolle"

Kerstin Kulterer-Prodnik, Psychologin in Villach ortet im Umgang mit dem Virus einen Kontrollverlust, der uns zu schaffen macht. "Wir sind in diesem Spiel ohnmächtig. Dementsprechend gibt es hier keine Schuld oder Kontrolle", erklärt sie. "Das sind Dinge, die passieren. Dinge, die uns schockieren, die Schuldgefühle und Angst auslösen, aber auch wenn es von meinem Körper ausgeht und einen anderen Körper schädigt, ist es trotz allem ein vollkommen autark agierendes Virus, das uns ja nur als Spielfiguren benutzt."Auch Kerstin Jäger, Psychologin in Graz und für die Onlineplattform Instahelp tätig, bringt den Kontrollverlust ins Spiel, wenn es um unser Leben mit dem Virus geht. "Besonders in diesen schwierigen, außergewöhnlichen Situationen fällt es uns schwer, unsere eigene Verantwortung an dem Schicksal des anderen adäquat einzuordnen. Oft überschätzen wir diese und nehmen Risiken falsch wahr und entwickeln Schuldgefühle im Übermaß. Manchmal nehmen wir unbewusst sogar besonders viel Schuld auf uns, denn dies gibt uns immerhin noch ein Gefühl der Kontrollierbarkeit unserer Zukunft, und wir müssen uns nicht der Ohnmacht hingeben, sterblich und manchmal ohne jegliche Kontrolle zu sein."

Professionelle Hilfe suchen

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In einem entscheidenden Punkt sind sich alle drei aber einig: Plagen einen die Vorwürfe und Schuldgefühle so sehr, dass das tägliche Leben davon beeinträchtigt wird, sollte man sich professionelle Unterstützung holen. Kerstin Jäger: "Denn gerade aufgrund der Besonderheit und Seltenheit der Situation haben wir oft noch nicht das passende Werkzeug, um auch aus einem solchen Schicksalsschlag zu lernen und gesund wieder in den Alltag zu finden. Mit der Hilfe einer geschulten Person können hingegen falsche Überzeugungen entkräftet und übermäßige Schuldgefühle aufgelöst werden, ohne der eigenen Verantwortung aus dem Weg zu gehen."