Verbale Gewalt, Hass und Hetze in einer kaum zu bändigenden Weise verbreiteten sich derzeit im Netz. Menschen werden beleidigt, bedroht und öffentlich an den Pranger gestellt. Es sei eine „neue Dimension der verbalen Brutalität“, sagt SPD-Politiker Karl Lauterbach, der diese Woche neben Anfeindungen auch Morddrohungen erhalten hat, weil er sich seit Monaten für die Coronamaßnahmen ausspricht.
Auch in Österreich sieht es nicht anders aus. Der aktuelle Online-Hassreport der App BanHate zeigte, dass im letzten Jahr 76 Prozent mehr Meldungen von Hassnachrichten eingingen als im Jahr 2019. Aber nicht nur Erwachsene, die in der Öffentlichkeit stehen, sind betroffen. Immer wieder sind auch Kinder und Jugendliche Opfer von Anfeindungen im Netz. Vor allem Cybermobbing ist für viele junge Menschen täglich Realität.
„Mobbing selbst ist kein neues Phänomen. Da der Umgang mit Konflikten nicht bei allen gleich gut funktioniert, ist Mobbing so alt wie die Menschheit selbst“, sagt Barbara Buchegger, Vorstand bei Safer Internet. Dass Mobbing nun auch online stattfindet, sei nicht verwunderlich: „Wenn Kinder Streit haben, unterscheiden sie nicht zwischen online und offline. Der Konflikt wird überall ausgetragen.“
Das Problem: Mobbing wird allgegenwärtig. „Wenn früher Konflikte in der Schule stattfanden, hatten Kinder Erholungsphasen. Zu Hause hatten die Betroffenen ihre Ruhe. Jetzt finden die Anfeindungen 24 Stunden, sieben Tage die Woche statt. Das nagt natürlich an einem“, sagt Ingrid Brodnig, Autorin und Expertin für Hass im Netz. Außerdem wird das Mobbing im Internet öffentlicher: „Hier kann jeder mitlesen. Die Betroffenen haben dann das Gefühl, dass Tausende sehen, was ihnen an den Kopf geworfen wird.“
Die Nutzung sozialer Medien einfach zu untersagen, halten beide Expertinnen aber für den falschen Weg: „Wenn wir jungen Menschen diese Plattformen verbieten, nehmen wir ihnen auch den Kontakt zu wichtigen Bezugspersonen“, sagt Buchegger. Denn „für Jugendliche sind soziale Medien der Ort, an dem sie Freundschaften ausleben. Ihnen das zu verbieten, wäre realitätsfern“, so Brodnig.
Der Täter im Nebenzimmer: Was tun, wenn das eigene Kind ein Mobber ist? Auch in dieser Situation solle man nicht sofort mit Abstrafen reagieren: „Hier gilt es hinzuschauen, was hinter dem Vorfall steckt.“ Denn bei Mobbing gehe es immer auch darum, den eigenen Status zu verbessern: „Wenn ich jemanden klein mache, mache ich mich selbst größer.“
Das Wichtigste sei, dem Betroffenen – egal ob Täter oder Opfer – zu zeigen, dass man da ist: „Kinder müssen vertrauensvolle Bezugspersonen haben, an die sie sich wenden können. Dann gilt es, mit ihnen genau zu besprechen, was passiert ist“, so Buchegger. Dafür sei es vor allem wichtig, dass Kinder lernen, ihre Gefühle zu benennen und einzuordnen. In schweren Fällen sollte man mit Lehrern oder Hilfsorganisationen in Kontakt treten.
Aber nicht nur auf Opfer und Täter ist zu achten: „Die zentrale Rolle spielen die Zuseher“, sagt Brodnig. „Wenn einzelne Zuseher Widerspruch leisten, kann das oft die Situation beenden. Man muss Kindern und Jugendlichen aufzeigen, dass sie diese Rolle einnehmen können und damit viel bewirken“, so Buchegger.
Um gegen Cybermobbing vorzugehen, spiele aber vor allem auch Prävention eine wichtige Rolle: „Empathie ist wie ein Schutzschirm gegen Mobbing. Kinder müssen lernen zu verstehen, wie sich Situationen für andere anfühlen“, sagt Brodnig. Am besten arbeite man dazu mit konkreten Beispielen, wie etwa: Wie würdest du dich fühlen, wenn ein Mitschüler deinen Rucksack auf dem Schulhof versteckt hätte?
Eltern sollten als Vorbilder agieren: „Erwachsene mischen sich oft zu schnell ein. Man muss Kinder selbst streiten lassen, aber ihnen vorleben, wie Streit funktioniert, ohne dass jemand Schaden nimmt“, sagt Buchegger.