Erstmals könnte ein hoch wirksames Therapieprinzip gegen Adipositas am Horizont stehen. 20 Prozent Reduktion der Fettmasse wurden in einer US-Studie mit dem monoklonalen Antikörper Bimagrumab bei Diabetikern erzielt. Eine riesige Studie aus Spanien beweist die Dringlichkeit solcher Behandlungsstrategien: Auch fitte Übergewichtige haben ein hohes Gesundheitsrisiko.

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Die medikamentöse Behandlung von Übergewicht und Adipositas (BMI über 30) ist seit vielen Jahren ein Problem. Die meisten dafür zugelassenen Arzneimittel hatten nur geringen Effekt und mussten wegen Nebenwirkungen wieder vom Markt genommen werden. Bereits 2007 kamen Wissenschafter im British Medical Journal in einer Meta-Analyse von 30 Studien mit Patienten (BMI über 35) zu einem niederschmetternden Ergebnis: Das mittlerweile vom Markt genommene Rimonabant verringerte das Gewicht um nur 4,7 Kilo, Sibutramin (ebenfalls nicht mehr erhältlich) um 4,2 Kilo und Orlistat (hemmt Fettaufnahme aus dem Darm) bloß um 2,9 Kilogramm. Jetzt allerdings könnte etwas Neues kommen. Eine Behandlung mit dem monoklonalen Antikörper Bimagrumab, der das Muskelwachstum durch eine Blockade von Aktivin-Typ-2-Rezeptoren stimuliert, hat in einer Phase-2-Studie in den USA bei adipösen Patienten mit Typ-2-Diabetes das Körpergewicht durch eine deutliche Reduktion der Fettmasse gesenkt. Bimagrumab war als Therapiekonzept zur Behandlung einer seltenen Muskelerkrankung mit Muskelschwund und Muskelschwäche untersucht worden. In der Wirksamkeitsstudie fiel aber auf, dass nicht nur das Muskelwachstum gefördert wurde, sondern auch Körperfett durch die Therapie verloren ging. Daraufhin nahm man 75 Patienten in eine Phase-2-Studie auf. Es handelte sich um Typ-2-Diabetiker mit Übergewicht (BMI 28) bis sogenannter morbider Adipositas (BMI 40). Zusätzlich zu Diät- und Bewegungsberatung erhielten die Probanden über 48 Wochen hinweg jeden Monat eine Infusion mit dem monoklonalen Antikörper. Dabei kam es, wie Steven Heymsfield von der Louisiana State University in Baton Rouge (USA) und seine Mitarbeiter in der US-Ärztezeitschrift JAMA berichteten, zu einem deutlichen Rückgang der Körperfettmasse um 20,5 Prozent oder 7,5 Kilo, während Diät- und Bewegungsberatung allein die Fettmasse nur um 0,5 Prozent oder 0,18 Kilogramm senkten. Der Unterschied war statistisch signifikant. Außerdem nahm die Muskelmasse um 3,6 Prozent zu, wie im Deutschen Ärzteblatt jetzt zu lesen war. Allerdings muss wegen Effekten auf die Leber bzw. Bauchspeicheldrüse offenbar für eine Weiterentwicklung des Prinzips auf eine wöchentliche Verabreichung per Injektion unter die Haut (subkutan) umgestiegen werden.

Wesentlicher Faktor bei Typ-2-Diabetes

Bei Typ-2-Diabetikern ist Übergewicht bzw. Adipositas ein ganz wesentlicher Faktor beim Entstehen der Erkrankung. Typ-2-Diabetes kann durch Abnehmen auch deutlich gemildert oder sogar beseitigt werden. Körperliches Training allein hat nur einen geringen Einfluss auf das Gesundheitsrisiko von Übergewichtigen. Laut einer neuen spanischen Studie mit der Auswertung von Daten von 527.662 krankenversicherten Spaniern (Durchschnittsalter: 42,3 Jahre, BMI 26,2 plus/minus 4,3) hat der Spruch "Fett aber fit" wenig Bedeutung. In der Untersuchung hatten 42 Prozent der Teilnehmer Normalgewicht, 41 Prozent Übergewicht und 24,2 Prozent Adipositas.

Auf die Herz-Kreislauf-Gefahren hatte körperliche Aktivität nur sehr bedingt Einfluss. Adipöse inaktive Männer hatten 5,94 Mal öfter einen zu hohen Blutdruck als normalgewichtige aktive Vergleichspersonen. Bei Frauen war das Risiko sogar 7,28-fach erhöht, berichtete das deutsche Ärzteblatt über die Studie im European Journal of Preventive Cardiology. Auch wenn die Adipösen körperlich aktiv waren, war das Risiko für Bluthochdruck um den Faktor 4,93 bei Männern und um das 5,45-Fache bei Frauen erhöht. Bewegungs-inaktive Menschen mit normalem Körpergewicht hatten dagegen nur ein um 25 Prozent (Männer) und 30 Prozent (Frauen) erhöhtes Risiko für eine Hypertonie.

Ähnliches galt für Diabetes. Normalgewichtige Männer litten bei körperlicher Inaktivität um 56 Prozent häufiger daran als normalgewichtige, körperlich aktive Männer. Bei inaktiven normalgewichtigen Frauen war das Risiko um 27 Prozent erhöht.

"Man kann nicht 'fett aber gesund' sein"

Unter inaktiven adipösen Menschen stieg das Diabetesrisiko dagegen um den Faktor 5,42 (Männer) und um das 6,26-Fache bei den Frauen. Aber auch die sportlich aktiven adipösen Männer waren 3,62 Mal öfter an Typ-2-Diabetes erkrankt als normalgewichtige, körperlich aktive Männer. Unter den Frauen kam es zu einer Erhöhung des Risikos um den Faktor 4,18.

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"Man kann nicht 'fett aber gesund' sein. Man kann offenbar die gesundheitlichen Risiken durch Übergewicht nicht durch körperliche Aktivität kompensieren", wurde Studienautor Alejandro Lucia von der Europäischen Universität Madrid dazu in einer Aussendung der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) zitiert.