"Neue Kollektion", "Alles muss raus", "Nur heute: 2 für 1": Ankündigungen wie diese sind im Modehandel keine Seltenheit. Ähnliche Werbeaktionen werden uns wohl auch ab nächster Woche in den wieder öffnenden Handel locken. Die Kollektion der letzten Saison wird dabei nicht selten zu Spottpreisen verkauft. Das Hemd passt nicht richtig? Kein Problem, es kostet ja bloß 20 Euro. Das Problem: Den eigentlichen Preis des Mode-Wahnsinns zahlen andere. Zum Beispiel der Näher, der zu einem Hungerlohn an unserem Hemd arbeitet. Ein weiteres Opfer unseres maßlosen Mode-Konsums? Die Umwelt

Auf die Frage, warum Fast Fashion ein solch elementares Problem für das Klima darstellt, antwortet Autorin und Kommunikationsberaterin Nunu Kaller: "Ich weiß da gar nicht, wo ich anfangen und wo ich aufhören soll." Kaller, die jahrelang für NGOs wie Greenpeace oder die österreichische Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 gearbeitet hat, weiß, wovon sie spricht: "Für mich ist das der Inbegriff aller negativen Auswirkungen der Globalisierung. Die sind alle in der 'Fast Fashion'-Industrie zu finden"

Die zahlreichen Opfer der Fast Fashion 

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Die Modeindustrie ist der zweitgrößte Umweltverschmutzer der Welt. Den Autoren des Nature Reviews Earth & Environment zufolge hat sie jährlich mehr als 92 Millionen Tonnen Abfall sowie 72 Billionen verbrauchtes Wasser zu verantworten. Es seien aber nicht nur die Unmengen verbrauchter Ressourcen und die umweltschädliche Produktion (Stichwort: Pestizid- und Insektizid-Einsatz), die für das Klima zur Katastrophe werden, sagt Kaller. Ebenso verheerend sei das Thema Transport. Aufgrund der globalisierten Produktion finde nahezu jeder Arbeitsschritt in einem anderen Land statt: "Dann wird oft nochmal der Umweg gegangen, dass der letzte Produktionsschritt in Europa stattfindet, damit man dann 'Made in Europe' drauf schreiben kann."

Hinzu kommt besonders schwerwiegend die menschenunwürdige Behandlungder Arbeiter. Dass diese sogar lebensgefährlich werden kann, beweist Bangladesch, mittlerweile zweitgrößtes Textilexportland der Welt. Hier war im April 2013 eine Textilfabrik eingestürzt: 1138 Menschen kamen dabei ums Leben. Mehrheitlich Näherinnen, die für einen Hungerlohn an Kleidung für europäische Moderiesen wie Mango, Primark oder C&A arbeiteten. Auch in den darauffolgenden Jahren ereigneten sich aufgrund schlechter Sicherheitsstandards in Bangladeschs Textilfabriken immer wieder ähnliche Katastrophen.

Unsere Gier nach Konsum

Nunu Kaller, Autorin und Kommunikationsberaterin
Nunu Kaller, Autorin und Kommunikationsberaterin © Julius Hirtzberger

"Shopping, Kaufen und Kleiderkonsum in der westlichen Welt: Da geht's den meisten ja nicht darum, dass man etwas braucht, damit man beispielsweise nicht friert. Sondern man braucht etwas, weil einem das alte Teil nicht mehr gefällt", resümiert Kaller. Die Autorin, die sich vor einigen Jahren selbst eine einjährige Shopping-Diät auferlegte und ihre Erfahrungen in einem Buch verarbeitete, weiß, wovon sie spricht: "Das heißt, es herrscht keineNotwendigkeit. Und damit lässt sich dieser ganze Kleiderkonsum, das wir als 'Shopping' kennen, einsortieren."Besonders problematisch sei, dass im Modebereich nicht existente System von Angebot und Nachfrage. Viel mehr herrsche ein System von Angebot und Angebot. "Da wird in Trendforschung investiert. Da wird natürlich darauf geachtet, dass Trends immer schneller wechseln, damit eine höhere Drehung im Kleiderschrank da ist. Und unser körperliches Empfinden wird instrumentalisiert", sagt Kaller. Beim Kaufen komme es zu einem Dopamin-Ausstoß. Das sei ein Kick, ähnlich wie bei einer Drogensucht. "Und auf diesem sich immer wieder den Kick geben, basiert meines Erachtens nach dieses ganz 'Fast Industry': Sei das Fast Fashion oder auch Fast Food."

Textilkonsum in Österreich

Laut der österreichischen Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 werden jedes Jahr pro Kopf 19 Kilogramm Textilien gekauft. Das bedeutet: Jeder Österreicher erwirbt im Schnitt pro Jahr rund 60 neue Kleidungsstücke. Wie viel davon tatsächlich gebraucht wird, ist mehr als fraglich. Im Vergleich: 11,2 Kilogramm beziehungsweise 35 Kleidungsstücke werden im Durchschnitt jährlich wieder entsorgt. Dabei hat jeder von uns bereits ein durchschnittliches Kleidungslager von 50 Kilogramm (entspricht circa 156 Kleidungsstücken) zuhause angehäuft.

Byebye Fast Fashion: Die minimalistische Garderobe

Neu ist die Idee der minimalistischen Garderobe im nicht. Geprägt wurde das Konzept ursprünglich bereits in den 1970er-Jahren von der Londoner Boutique-Inhaberin Susie Faux. Im Jahr 2014 hat es die US-amerikanische Journalistin Caroline Rector dann adaptiert. Ihr ambitioniertes Ziel, das einen regelrechten Trend auslöste: Ihren gesamten Kleiderschrank auf 37 Kleidungsstücke reduzieren.

Weniger ist mehr: Das "Capsule Wardrobe"-Prinzip

Schließlich geht es daran, den eigenen Kasten auszumisten, um die individuelle Kapsel-Garderobe zu realisieren. Beim Aussortieren können Kategorien hilfreich sein, in die man verschiedene Kleidungsstücke einteilt. Besitzt ein Kleidungsstück beispielsweise einen sentimentalen Wert, legt man es erst einmal in einer separaten Box ab und überlegt zu einem späteren Zeitpunkt nochmal, ob man es noch behalten möchte. Bei anderen Stücken ist man sich hingegen sofort sicher, dass man sie verkaufen oder spenden möchte. Hat man das Ausmisten hinter sich gebracht, werden mit den verbleibenden Kleidungsstücken schließlich neue Outfitideen kreiert.

Positive Nebeneffekte der Capsule Wardrobe

Auch Nunu Kaller kennt das Prinzip der Kapsel-Garderobe, gibt aber zu: "Ich persönlich wäre dafür nicht geeignet - ich könnte mich nicht auf ein Farbschema festlegen, das würde ich nicht schaffen. Aber ich bewundere die Leute, die das können - ganz toll." Auf Reisen käme sie dem Konzept jedoch nahe, da nehme sie nämlich nur schwarze Sachen mit. "Das ist dann meine Form der Capsule Wardrobe", schmunzelt die Autorin.Ein weiterer spannender Aspekt der minimalistischen Garderobe: Es falle kaum auf, wenn man öfter dieselben Kleidungsstücke trägt. Kaller erzählt von Heidi Hackemer, auf die sie im Zuge ihrer Buchrecherche gestoßen ist. Die New Yorkerin habe ein Experiment gestartet, in dessen Rahmen sie sich einen Monat lang auf lediglich sechs Key Pieces fokussierte, die sie unterschiedlich kombinierte. Dass es die immer selben sechs Kleidungsstücke waren, fiel ihren Kollegen erst nach drei Wochen zum ersten Mal auf. Kaller schließt daraus: "Die Leute sind vollkommen reizüberflutet. Es fällt nicht auf. Wir überschätzen die Wahrnehmung Anderer und überbewerten ihre Bewertung."

Was eine Capsule Wardrobe nicht ist

Ähnlich sieht das NunuKaller. Es sei wichtig, das eigentliche Motiv des Ausmistens nicht aus den Augen zu verlieren. Schließlich gehe es darum, nachhaltiger zu konsumieren. Sie rät zudem dazu, sich bereits im Vorfeld damit auseinanderzusetzen, was mit dem ausgemisteten Gewand passiere: "Habe ich Freunde, denen das passen könnte? Oder wenn ich wertigere Stücke habe: Kann ich die weiter verkaufen, kann ich die auf eine Second Hand-Plattform stellen?" Auch Spenden sind sinnvoll. Dabei sollte jedoch darauf geachtet werden, welche Organisation dahinter stecke. Kaller selbst spende beispielsweise viel an die Caritas. Die Hauptsache sei jedoch, dass das Ausgemistete nicht im Müll lande. 

Hilfreiche Tipps zum nachhaltigen Textilkonsum

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Generell sei Selbstreflexion das A und O, um nachhaltiger zu konsumieren. Sie selbst stelle sich beim Textilkonsum daher vier wesentliche Fragen. Erstens: Passt einem das Kleidungsstück wirklich. Zweitens: Will man das Teil wirklich? Und warum will man es? "Will ich es, weil ich einen scheiß Tag im Büro hatte oder weil es wirklich eine gute Ergänzung meiner Garderobe ist?" Das bedinge zwar viel Selbstreflexion, könne das Konto aber gewaltig schonen: "Weil man kauft zwar das Stück, aber eigentlich die schönen Gefühle." Als letzte Frage rät Kaller dazu, sich zu überlegen: Braucht man es wirklich?  Dadurch wären Schrankleichen ebenso wie Fehlkäufe vermeidbar.