Ausgerechnet jetzt! Just wenn frühmorgens ohnehin zu viele Tagesordnungspunkte auf zu wenig Zeit treffen, ein wichtiger Termin wartet oder kurzfristig vorverlegt wurde, braucht der Nachwuchs für den Verzehr des Frühstückbrotes oder das Anziehen der Schuhe eine gefühlte Ewigkeit. Das kindliche Schneckentempo wird zum aufgezwungenen Schrittmacher, die elterliche Ruhe und Souveränität kippt in hysterische Verzweiflung. Der Crash ist vorprogrammiert.

Gelassen bleiben!

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Erstens beschleunigt der Ärger der Eltern die Handlungen der Kinder selten. Eigentlich nie. Zweitens verstehen Kleinkinder die Aufregung auch nicht. Sie haben keine Vorstellung von der metronomhaften Taktung des erwachsenen Lebens. Sie wissen nicht, wie lange eine Minute oder zwei Stunden sind. Sie können auch nicht einschätzen, was die Antwort „Bald!“ oder „Gleich!“ auf ihre Frage „Wann sind wir endlich da?“ bedeutet. Die Tempomatrix der Erwachsenen bleibt für sie abstrakt, weshalb sie auch den Sinn und die Notwendigkeit des Beeilens nicht verstehen.

Kinder leben im Hier und Jetzt

„Geht das nicht schneller?“ – Dieses drängende Fragen zielt ins Leere. Ständiges Ermahnen zur Eile bleibt ebenso fruchtlos, weil Kinder in den ersten Jahren in einer eigenen Zeit(los)zone leben. Es gibt für sie nur das Hier und Jetzt – keine Zukunft und keine Vergangenheit. Sie können sich völlig in ihr Spiel oder eine Sache vertiefen. Mit Trödeln hat das nichts zu tun. Vielmehr ist es für Kinder lebensnotwendig, das Bewusstsein in der Gegenwart zu halten. Nur so können sie alles aufnehmen, was wichtig, manchmal sogar überlebenswichtig ist. Ihr Gehirn ist demnach zu sehr mit dem Lernen beschäftigt, für zeitliche Einteilungen abseits des Essen-Spielen-Schlafen-Rhythmus bleibt da kein Platz.

Ab drittem Lebensjahr so etwas wie Zeitgefühl

Wie Eltern helfen können? Mit ritualisierten Abläufen. Je strukturierter ein Tag ist, desto besser und früher können sich Kinder zeitlich orientieren. Erst ab dem dritten Lebensjahr entwickeln sie selbst eine Art von Zeitgefühl. Als Maßstäbe setzen sie aber eigene Erfahrungswerte an. In dieser Logik muss ein großer Hund automatisch älter sein als ein kleiner. Nach und nach verabschieden sich die Kinder allerdings aus ihrer Zeitlosigkeit. Mit fünf bis sieben Jahren bekommen sie langsam ein Verständnis für Unterschiede in der Dauer von Abläufen, für verschiedene Zeitabschnitte und für die Einteilung in Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit.

Die Uhr lesen zu können hilft dabei. Es heißt aber noch nicht, dass ein Kind nun immer pünktlich ist und nie mehr trödelt. Denn entscheidender ist es, ein Zeitgefühl zu entwickeln. Wobei es ein hochindividuelles und situationsabhängiges Gefühl bleibt, ob die Zeit schnell oder langsam vergeht: Eine 50-minütige Schulstunde kann einem ewig lang vorkommen; 50 Minuten Spielen können dagegen vergehen wie im Flug. Diesbezüglich finden Kinder sehr schnell den Weg in die Zeitzone der Erwachsenen.

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Für manche Forscher zu schnell. Sie warnen davor, Kinder zu früh einem Zeitdruck auszusetzen. Das führe zu „Pedanterie, mechanisch-fremdgesteuerter Lebensführung und innerer Unfreiheit“, heißt es in der Studie „Das Zeitbewusstsein des Kindes“ der Erziehungswissenschaftlerin Simone Wissing.