Die Regel ist: Etwa die Hälfte aller Menschen bekommt einmal im Monat die Regel. Eigentlich das Normalste der Welt. Und trotzdem wird noch immer viel zu selten darüber gesprochen. Das findet zumindest Maisie Hill. Die britische Frauengesundheitsexpertin hat deshalb ein Buch geschrieben: „Superpower Periode“. Um den Zyklus zum Thema zu machen, ja. Aber vor allem, um zu zeigen, dass er keine unangenehme Begleiterscheinung des weiblichen Körpers ist. Denn wenn wir auf unsere Hormone hören würden, sagt Maisie Hill, könnten wir den Menstruationszyklus sogar zu unserem Vorteil nutzen. Oder anders gesagt: Bessere Tage würden kommen. Abgesehen davon, im richtigen Moment Binden und Tampons in der Tasche zu haben: Warum sollten wir über unseren Zyklus Bescheid wissen?
MAISIE HILL: Unsere Periode ist ein unglaublich wichtiger Indikator für unsere Gesundheit. Wenn wir sie kennen, können wir Veränderungen im Zyklus bemerken und darauf reagieren. Das ermächtigt uns nicht nur im Alltag, sondern ist auch wichtig, um – falls notwendig – medizinische Hilfe zu suchen. Gerade jetzt, in der Pandemie, ist es spannend, wie sich unsere Zyklen verändern. Viele meiner Patientinnen erzählen, dass ihre Zyklen regelmäßiger geworden sind, sie weniger Schmerzen haben … Klar, sie müssen nicht pendeln. Sie müssen nicht in einer Arbeitsumgebung funktionieren, die für gewöhnlich für Männer designt ist. Sie genießen die Freiheit, von daheim zu arbeiten und in Balance mit ihrem täglichen und menstruellen Zyklus zu leben.
Genau darum geht es auch in Ihrem Buch: dass wir in Einklang mit unserem Zyklus leben. Das ist für viele, die unter Stimmungsschwankungen oder starker Regelblutung leiden, schwer vorstellbar.
Ich glaube fest daran, dass Hormone dafür da sind, uns zu helfen. Ich kann mir vorstellen, dass manche sich jetzt denken: „Was? Das kann nicht ihr Ernst sein!“ Aber: Jede Phase unseres Zyklus (siehe Infokasten) hat eine Power – je nachdem, was unsere Hormone gerade machen und wie sie Stimmung, Energie und Verhalten beeinflussen. Deshalb empfehle ich, den Zyklus zu tracken. Es reicht schon, ein Wort pro Tag aufzuschreiben, das veranschaulicht, wie man sich gefühlt hat. Auch körperliche Symptome wie Empfindlichkeit der Brust oder Aufgeblähtheit lassen sich gut beobachten.
Was mache ich mit diesem Wissen?
Unser Gespräch fällt beispielsweise in die Phase meines Zyklus, wo Östrogen am Höchststand ist. Rund um den Eisprung fühlen wir uns wie Superwoman. Wir sind selbstbewusst und haben das Gefühl, alles schaffen zu können – kein Wunder, wir sollen uns in dieser Zeit ja auch fortpflanzen. Das Öströgen-Hoch macht es aber auch für mich viel leichter, mit Ihnen zu reden. Das heißt nicht, dass ich es in einer Woche – also nach dem Eisprung, wo ich diesen natürlichen Vorteil nicht mehr habe – nicht könnte, aber ich würde mir mehr Gedanken darüber machen, wie ich mich vorbereite. Heute kann ich, wenn ich ehrlich bin, einfach improvisieren (lacht). Wissen wir also, in welcher Phase wir uns befinden, können wir unseren Alltag anpassen. Das heißt, in der Herbst-Phase auch mal ein Meeting abzusagen oder die Freundin doch nicht zu treffen. Alles, was man dann will, ist auf dem Sofa zu liegen. Was, wenn ich keine Wahl habe und mich nicht zu Hause verkriechen kann?
Ich vergleiche das gerne mit der Wettervorhersage: Manche Tage sind sonnig und schön. Wir können einfach rausgehen und unser Ding machen. An anderen Tagen wird’s regnerisch und stürmisch. Die meiste Zeit müssen wir da durch. Wenn wir wissen, was in unserem Zyklus passiert und wie es uns beeinflusst, dann ist das so, wie mit einem Regenschirm aus der Tür zu gehen. Wir sind vorbereitet auf das, was prognostiziert wird.
Haben Sie Tipps, wie wir gut durch die schlechteren Regentage kommen?
An diesen Tagen, wo die Hormone abfallen, ist es wichtig, regelmäßig zu essen und vor allem genug Proteine zu sich zu nehmen. Der Blutzucker sollte den Tag hindurch ausbalanciert sein. Wenn man weiß, man hat einen 28-Tage-Zyklus und am 27. Tag sinkt das Hormonlevel, ist das auch nicht der Tag, an dem man auf einen Drink geht. Wenn wir ohnehin schon verletzlich sind, wollen wir nicht noch eins drauflegen – genau das macht Alkohol.
Apropos verletzlich: Müssen wir wirklich jeden Monat Schmerzen leiden?
Das ist ein großes Thema! Wenige Krämpfe mit sehr leichten Schmerzen sind o. k. Aber es sollte nicht so schmerzhaft sein, dass man Schmerztabletten braucht. So viele Menschen sind schockiert, wenn ich ihnen sage, dass es nicht so sein muss. Auch ich habe früher gedacht, das ist normal, und habe mir einfach ohne Ende Schmerztabletten eingeworfen.
Und heute?
Habe ich keine Schmerzen mehr. Als ich angefangen habe, mich mit dem Menstruationszyklus zu beschäftigen, habe ich gemerkt, dass man etwas dagegen tun kann. In meinem Fall haben unter anderem Akupunktur und chinesische Kräuter geholfen. Ich wünschte, das würden alle wissen. Aber darum habe ich ja auch das Buch geschrieben. Um zu zeigen, dass wir eine bessere Periode haben können.
Sabrina Luttenberger