Schreckliche Erlebnisse prägen Menschen nachhaltig. Egal, ob Krieg, Missbrauch, Vertreibung oder ein schlimmer Unfall: In vielen Fällen bleibt der Schatten der Vergangenheit an betroffenen Personen haften – man trägt ein sogenanntes Trauma davon.

Mehrere Generationen, ein Problem

Traumatische Erfahrungen hinterlassen Wunden bei den Opfern. Kann das auch Einfluss auf ihre Kinder und Enkelkinder haben? „Das kann passieren“, sagt die Psychologin Dagmar Tutschek, verweist auf Epigenetik und erklärt, dass Traumata sogar Spuren im Erbgut hinterlassen können, weil: „Schlimme Erfahrungen ändern zwar nicht den Gencode, können aber sehr wohl die Funktion einer Zelle beeinflussen.“

Während sich unsere Gene nur im Takt von Jahrtausenden verändern, schafft es die sogenannte Epigenetik sich von einer Generation zur nächsten zu wandeln. Diese Epigenetik wird sehr von der Umwelt beeinflusst. Das passiert zum Teil schon im Mutterleib. Schreibt sich ein Trauma ein, steigt das Risiko, dass nachfolgende Generationen anfälliger für Ängstlichkeit, Stress und andere Belastungen werden.

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Schuldgefühle und Selbstvorwürfe

Für traumatisierte Menschen sei, so die Psychologin und Psychotherapeutin Helga Kernstock-Redl, das Wissen über die transgenerationale Weitergabe oft mit Schuldgefühlen verbunden – wenn auch keine Garantie für vererbte Wunden vorliegt.

Dass ein vererbtes Trauma nicht zum Tragen kommt, hat auch nicht zuletzt mit der positiven Einflussnahme des Umfelds zu tun. Kümmert sich jemand liebevoll um ein betroffenes Kind, kann die negative Prägung dadurch quasi "in Ordnung gebracht" werden.

Wenn aber die Schwierigkeiten nach der Geburt weitergehen, dann könne das laut Dagmar Tutschek auch das Trauma intensivieren. Das Umfeld wird also zum Brandbeschleuniger.

Ursachenforschung als Herausforderung

Die größte Herausforderung, sagt Tutschek, sei die Ursachenforschung. Die Expertin erzählt zum Beispiel von Patienten, die wegen einer Essstörung behandelt werden – ausgelöst von einem unentdeckten Trauma.

Die Krux: „Betroffene wissen oft gar nicht, dass ihnen ein Trauma weitergegeben wurde.“ Vor allem, wenn die „Urheber“ des Traumas bereits verstorben sind, gestalte sich die Spurensuche schwierig.

Wie schlimme Erlebnisse über Generationen hinweg wirken, zeigt hierbei das prominente Beispiel der Kriegsgeneration. Tutschek erzählt von der berühmt-berüchtigten "Mauer des Schweigens", mit der viele Kriegskinder und Kriegsenkel zu kämpfen hatten.

Dabei sei bei der Heilung eines Traumas vor allem eines unerlässlich: „Psychoedukation“, sagt die Psychologin. Denn je mehr Betroffene über Geschehnisse Bescheid wissen und je mehr Erklärungen sie in die Hand bekommen, desto „leichter lässt sich auch die Ohnmacht eines Traumas bekämpfen.“