Selten hat man so sehnsüchtig in Nachbars Garten geblickt wie im Corona-Biedermeier. Vor allem dann, wenn die eigene Wohnung nur einen kleinen oder gar keinen Balkon hat. Dort sind die Salatpflanzerl in den Beeten schon gesetzt und bis die Paradeiser und die Gurken aufrücken, wird es nicht mehr lange dauern.
Aber um selber Gemüse zu ziehen, braucht man keinen Garten – dazu reicht eine Fensterbank. Natürlich fallen die Pflänzchen dort kleiner aus – schließlich nennt man den Trend unter den Stadtgärtnern nicht umsonst „Microgreens“.
- Was sind „Microgreens“? Darunter versteht man die Keimlinge von verschiedenen Gemüsen und Kräutern, die man bereits ernten kann, wenn die Pflänzchen erst wenige Tage alt sind. So jung und schon so gesund: Forscher schätzen, dass „Microgreens“ rund 40 Mal mehr Vitalstoffe enthalten als die ausgewachsenen Pflanzen. Die meisten Sorten sind acht bis zwölf Tage nach der Aussaat reif – sie sind kleiner als Jungpflanzen, werden aber später geerntet als Sprossen. So, wie wir es alle von der anspruchslosen Kresse kennen, schneidet man die Stängel knapp über dem Boden ab und sät die nächste Charge aus – nur in einer riesigen Vielfalt an Farben, Formen und Geschmacksrichtungen.
- Welche Sorten kann man anbauen? Beliebt ist zum Beispiel das Grün von Erbsen, Sonnenblumen, Senf, Brokkoli, Rettich, Radieschen, Rotkohl und Amaranth. Aber das ist nur ein kleiner Auszug der Sorten, die sich auf dem Fensterbankerl ziehen lassen. Und deren Keimblätter sind, anders als der Name „Microgreens“ vermuten ließe, nicht nur grün, ihre Farbpalette umfasst auch Violett oder Purpurrot. Die Zwergerl sind aber nicht nur hübsch anzusehen – man kann sie in der Wohnung auch das ganze Jahr über anbauen.
- Wie zieht man die Keimlinge? Wichtig ist zu wissen, ob die Samen zum Keimen Licht oder Dunkelheit brauchen, was auf der Packung nachzulesen ist. Je nachdem bedeckt man sie nach der Aussaat auf rund drei Zentimetern Erde entweder mit einem transparenten (es geht auch eine Frischhaltefolie) oder einem lichtundurchlässigen Deckel (eine dünne Schicht Erde tut es auch). Sind die Pflänzchen rund zwei Zentimeter aus dem Substrat gesprossen, kann man die Abdeckungen entfernen und sie offen weiterwachsen lassen. Größere und härtere Samen kann man vor dem Ausbringen ein paar Stunden in Wasser einweichen. Dann keimen sie schneller. Am besten sät man in unterschiedlichen Gefäßen mit ein paar Tagen Abstand – dann hat man immer etwas zu ernten.
- Was braucht man dazu? Aussäen kann man das junge Grün entweder auf Anzuchterde, aber auch auf Matten aus Hanf oder Kokosfasern, wenn man Krümel in der Wohnung vermeiden möchte. Wer will, verwendet eine professionelle Anzuchtschale, in Wahrheit tut es aber auch in Topfuntersetzer oder ein flaches Geschirr.
- Was muss man beachten? „Microgreens“ haben am liebsten eine konstante Temperatur um die 20 Grad Celsius. Zum Wachsen brauchen sie Licht, aber besser keine direkte Sonneneinstrahlung. Für das Gießen der Winzlinge nimmt man am besten eine Sprühflasche, erst wenn sie fast ausgewachsen sind, eine Kanne. Die Saat sollte man zwei- bis dreimal am Tag lüften, damit sich nicht zu viel Feuchtigkeit bildet. Für die richtige Menge Wasser braucht man ein bisschen Fingerspitzengefühl, solange sie abgedeckt sind: Ist es zu trocken, wachsen sie nicht, ist es zu nass, kann sich Schimmel bilden. Wichtig: Das Grün kann man dann nicht mehr essen.
- Wofür kann man „Microgreens“ verwenden? Die Ernte mag zwar klein sein, ist aber in der Küche ganz groß. Denn in den Keimlingen sind nicht nur die Nährstoffe konzentriert, sondern auch der Geschmack. Frisch geschnitten auf Butterbrot gestreut, in Salate oder einen Aufstrich gemischt, als Pesto oder würzige Garnierung für Suppen oder in Smoothies. Einziger Nachteil: Das junge Grün kann man nicht gut lagern. Also immer gleich frisch essen. Guten Appetit!