Täglich passieren viele Dinge, die man nicht beeinflussen kann. Das erzeugt Stress. Ist man emotional überladen, übertragen sich solche Emotionen auch auf die eigene Familie. Gelassenheit einzuüben, kann dabei helfen, mehr Ruhe in den Familienalltag zu bringen. „Gelassenheit ist etwas, dass ich kontrollieren kann. Stressfaktoren von außen kann ich oft nicht verändern. Diese gilt es anzunehmen“, sagt Familienberaterin Tanja Draxler-Zenz. Sie empfiehlt, dort anzusetzen, wo man tatsächlich etwas verändern kann: nämlich im persönlichen Umgang mit Stresssituationen.
Den Kindern ein Vorbild sein
„Gelassenheit muss vom Erwachsenen kommen und die Kinder anstecken“, meint die Familienberaterin. Auch die Gehirnforschung zeigt, dass vor allem junge Kinder in ihren Emotionen stark abhängig von der Stimmung der Eltern sind. Dabei sei es vor allem wichtig, als Eltern die eigenen Emotionen klar zu kommunizieren. Versteckter Ärger und versteckte Trauer werden von den Kindern dennoch wahrgenommen und verwirren diese. Dazu gehöre es auch, gelegentlich vor den Kindern zu weinen, wenn einmal alles zu viel ist. Denn auch Eltern dürfen traurig sein. Dadurch lernen die Kinder einen gesunden Umgang mit den eigenen Emotionen. Wichtig ist es, dabei immer klar mit den Kindern über die eigenen Gefühle zu sprechen und zu erklären, woher die aktuellen Emotionen gerade kommen.
Aber wo soll man anfangen, wenn man gelassener werden möchte? „Das ist definitiv nichts, was man von heute auf morgen lernt. Gelassenheit muss langsam wachsen“, meint Draxler-Zenz. Beginnen kann man damit, kleine Übungen in den Tag einzubinden. Das Wichtigste sei, sich das Jetzt bewusst zu machen. Wenn man sich beispielsweise die Zeit zum Spielen mit dem Kind nimmt, sollte man sich klar sagen: „Jetzt wird gespielt. Jetzt habe ich eine halbe Stunde nur dafür Zeit.“ Damit das besser funktioniert, gilt es auch, das Smartphone zur Seite zu legen und die Nachrichten abzuschalten.
Kinder als Anker
Um Gelassenheit zu üben, sei es wichtig, sich Anker zu setzen. Solche Anker meinen Dinge im Alltag, die einen bewusst daran erinnern sollen, gelassen zu bleiben. Hier sei es eine gute Strategie, die eigenen Kinder als Anker auszuwählen. So wird der Anblick der eigenen Kinder zu etwas Entschleunigendem – unabhängig von der Situation. Das hilft vor allem in Momenten, in denen die Kinder sehr aufgewühlt sind. Sind Kinder gerade mit den eigenen Emotionen stark überladen und überfordert, können sie diese besser handhaben, wenn der Erwachsene in ihrer Nähe ruhig auf sie reagiert.
Bitte ohne Perfektionismus
Wie sollte man aber damit umgehen, wenn man bemerkt, dass man in einer Situation gerade alles andere als gelassen war? „Es ist ganz wichtig, vom Perfektionsgedanken wegzukommen“, meint Draxler-Zenz. Auch Eltern machen Fehler, und das dürfen sie auch. Kinder profitieren stark davon, wenn sie authentische Eltern haben. Diese haben auch Gefühlsausbrüche. Wichtig sei hierbei klare Kommunikation gegenüber den Kindern. Kindern müsse immer gesagt werden, dass sie bedingungslos geliebt werden. Auch wenn die Situation einen Elternteil kurzzeitig wütend oder traurig macht.
„Gerade in der jetzigen Situation gilt noch mehr als sonst: Wir müssen die Krise als Chance sehen“, meint Draxler-Zenz. Klar stellt der neue Alltag Kinder wie auch Erwachsene vor neue Herausforderungen. Aber er schafft auch neue Möglichkeiten. So biete sich dadurch die Chance einer Entschleunigung, die im sonst oft hektischen Alltag kaum möglich ist. „Die größte Chance für die Eltern liegt aber darin, dass man nun seine eigenen Kinder auf einer ganz anderen Ebene kennenlernen kann“, sagt die Familienberaterin. Dadurch, dass man den ganzen Tag gemeinsam mit seinen Kindern verbringt, könne man verstärkt herausfinden wie diese wirklich ticken. Das kann die emotionale Bindung stärken. Auch für Kinder sieht Draxler-Zenz Chancen in der aktuellen Situation: Diese können jetzt lernen, selbstständig zu arbeiten und zu spielen.