"Ich habe schon Angst. Wenn’s mich erwischt, ist’s aus.“
Erika Köstenbauer findet deutliche Worte für ihre momentane emotionale Verfassung angesichts der Corona-Krise. Die 68-jährige Kärntnerin aus Spittal/Drau lebt seit 20 Jahren mit einer transplantierten Lunge. Eine seltene Lungenkrankheit machte den schweren Eingriff im Jahr 2000 dringend nötig: Die bei ihr diagnostizierte Lymphangioleiomyomatose (LAM) führte dazu, dass wuchernde Muskelzellen das Lungengewebe nach und nach zerstörten. Seit der Operation muss Köstenbauer tagtäglich viele Medikamente nehmen, um eine Abstoßung des transplantierten Organs zu unterbinden. Diese Tabletten wirken auch reduzierend auf ihr Immunsystem – und das macht sie anfälliger für Krankheiten.
"Risikopatientin hoch zehn"
Durch ihre Krankheitsgeschichte und ihr Alter, sagt Erika Köstenbauer, sei sie „Risikopatientin hoch zehn“. Wir erwischen sie zum Gespräch gerade beim Verlassen des AKH Wien, wo nach einem Infekt, den sie vor vier Wochen hatte, ihre Werte wieder richtig eingestellt werden mussten. „Jetzt schaue ich, dass ich schnell nach Kärnten in mein Haus komme. Dort bleibe ich erst mal in Quarantäne.“ Für Köstenbauer heißt das: Sie meidet Außenkontakte, Angehörige und Freunde legen nötige Einkäufe auf ihre Terrasse, die Tiefkühltruhe hat sie bereits vorsorglich gut aufgefüllt. Desinfektionsmittel ist im Haus immer griffbereit und wenn sie in ihren Garten geht, trägt sie Mundschutz und Gummihandschuhe. Strenge Hygienevorschriften musste sie schon vorher beachten, „aber jetzt bin ich übervorsichtig“, erzählt sie. Sie verzichtet generell auf Händeschütteln oder Umarmungen, „mein Umfeld weiß das und kann gut damit umgehen“.
Bei allen anderen appelliert sie an das Verständnis für Personen wie sie selbst, vor allem weil sie jetzt einem besonders hohen Risiko ausgesetzt sind.
"Es kann nicht genug geschehen"
Mit den umfangreichen Maßnahmen, die in Österreich nun umgesetzt werden, ist Erika Köstenbauer zufrieden: „Ich fühle mich relativ sicher und ich bin dankbar, denn die Regierung reagiert gut. Aber es kann im Moment sicher nicht genug geschehen zur Eindämmung des Virus.“
In Gesprächen mit anderen merkt sie, dass viele Menschen derzeit verunsichert und in Maßen betroffen sind. „Der eine überlegt, den Flug nach London zu stornieren. Der andere ist verärgert, weil die Theaterkarten verfallen. Aber das alles ist doch angesichts der Umstände überhaupt nicht wichtig.“ Obwohl, und auch das will Köstenbauer betont wissen: „Hysterie nutzt niemandem. Man darf jetzt einfach nicht durchdrehen.“
Die Krebspatientin
Ich gehöre zur gefährdeten Gruppe, das ist mir klar. Aber in Panik will ich nicht verfallen“, sagt Claudia Altmann-Pospischek.
Die Niederösterreicherin hat Brustkrebs, der im Jahr 2013 in einem bereits unheilbaren Stadium diagnostiziert wurde. Seither lebt sie zwischen Dauertherapien und Tumoroperationen, zwischen Nebenwirkungen und Krankenhausbesuchen. Ihr Lebenswille ist aber ungebrochen. Und sie teilt sich mit: Beinahe täglich berichtet sie aus ihrem Alltag als Krebspatientin auf Facebook.
Im Bezug auf das Coronavirus trifft die 44-Jährige „vernünftige, aber nicht hysterische“ Vorkehrungen. „Ich wasche mir nun sicher 20 bis 30 Mal am Tag die Hände, ich meide riesige Menschenansammlungen. Aber ich treffe mich nach wie vor mit Freunden und gehe ganz normal im Supermarkt einkaufen.“ Sie versuche, wie jeder andere mit der Gefahr umzugehen, auch wenn sie ein erhöhtes Risiko habe. Auf die Frage, ob das Coronavirus ihr Angst mache, antwortet sie pragmatisch: „Wissen Sie, Angst habe ich vor meinem nächsten Staging, wenn nachgeschaut wird, was der Krebs in meinem Körper macht. Aber Corona-Panik, das macht keinen Sinn. Wenn’s mich trifft, habe ich Pech gehabt. Wenn nicht, habe ich Glück gehabt.“ Das Virus sei jetzt eben da, „und wir alle müssen uns damit auseinandersetzen. Die Maßnahmen der Regierung findet sie gut, „es ist gescheit, das Risiko herunterzufahren“.
Und zu guter Letzt verbreitet Claudia Altmann-Pospischek Zuversicht: „Ich denke, dass wir in zwei, drei Wochen das Schlimmste überstanden haben.“
Johanna Wohlfahrt