Herr Filzmaier, normalerweise reden Sie über Politik – jetzt haben Sie ein Buch über Ihre liebsten Sportgeschichten geschrieben. Wie kommen Sie dazu?
Peter Filzmaier: Schlicht und einfach, weil mein Herz daran hängt. Ich kann glaubhaft versichern, Ibiza und die Folgen waren spannend, aber nicht eine Herzensangelegenheit von mir. Beim Sport, wie fast jeder Fan, bin ich voller Gefühle, bin auch parteiisch. Deshalb dieses Buch, das voller Gefühl geschrieben ist. Ich habe die Rohfassung in wenigen Wochen geschrieben. Was bei der Recherche mühsam war: Ich bin von Youtube nicht losgekommen. Der kurze Check „wann war das“ hätte sich schnell erledigen lassen, aber ich musste es mir dann wieder anschauen.
Im Vorwort schreiben Sie, dass Ihr Traumberuf Sportjournalist war. Wie ist das gekommen?
Peter Filzmaier: Bei mir war es der erste Berufswunsch, der sich auch gehalten hat. Ich war dann nur vielleicht nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort, um das wirklich probieren zu können. Das ist mehr als Fernsehsport-Fan gekommen: Mich hat das Drumherum von Großveranstaltungen fasziniert, weil es das Rennen spannender gemacht hat, die Spannung auf- und dann, je nach Ergebnis genüsslich oder etwas traurig, wieder abgebaut hat.
Sie haben dann mit Ihrer Dissertation in Politikwissenschaften die Brücke geschlagen. Sie forschten zu den politische Aspekten der Olympischen Spiele.
Peter Filzmaier: Meine Diplomarbeit war über die Todesstrafe in den USA – danach wollte ich etwas, das auch positive Bezugspunkte hat. Ich kam aber vom Regen in die Traufe, weil der Sport oft auch politisch missbraucht wird. Die Nazi-Propaganda bei den Olympischen Spielen 1936 war ein Extremfall, aber in ähnlicher Form hat sich das bis heute gehalten. Weil Großereignisse teuer sind, hat die Sportbewegung das Problem, dass tendenziell eher Semi-Demokratien oder Diktaturen bereit sind, sie abzuhalten.
Wie geht man als Fan zum Beispiel damit um, dass die Fußball-WM in Katar stattfindet?
Peter Filzmaier: Es gibt keine Lösung, außer eine gespaltene Persönlichkeit. „Patriotismus ist Liebe zu den Seinen“, das kann der Sport auch schaffen, ohne Nationalismus, einen Hass auf die anderen zu haben. Dass die Realität nicht immer so ist, so naiv bin ich nicht. Es gibt aber auch positive Beispiele. Wir haben im Skifahren eine Rivalität zwischen Österreichern und Schweizern – und niemand käme auf die Idee, dass die Sportler oder Fans sich hassen.
Sie haben in Ihrem Buch den schönen Satz drinnen, Skifahren ist in Österreich ein Nationalsport und wichtiger für das Wir-Gefühl als viele Politiker. Wie wird das weitergehen, wo vor Kurzem unser größter Sportler Marcel Hirscher zurückgetreten ist?
Peter Filzmaier: Österreich hätte schon den letzten Nationencup knapp nicht gewonnen, wären Hirschers Punkte weggefallen. Der ist immer dann wichtig, wenn man ihn nicht gewinnt – und dass das an einem Sportler liegt, macht schon nachdenklich.
Eine Analogie zur Politik, wo ein Kandidat viele Prozentpunkte bei Wahlen bewegen kann?
Peter Filzmaier: In der Politik ist es sogar noch brutaler, weil im Sport wenigstens die Comeback-Chance anerkannt ist. Hier kann ein ewiger Zweiter noch einmal Sieger werden. Dass aber jemand in der Politik als Verlierer noch einmal zurückkehrt, ist selten.
Was ist denn die Folge, wenn eine erfolgsverwöhnte Nation plötzlich nicht mehr so erfolgreich ist? Staatskrise?
Peter Filzmaier: Nicht Staatskrise im engeren Sinn. Aber das Wir-Gefühl, das Sport auslöst, kann massive Auswirkungen auf die Zukunftsängste oder -hoffnungen haben, im Guten wie im Schlechten. Dazu muss man nicht gewinnen: 2006 wurde in Deutschland im Rahmen der Fußball-WM ein „Sommermärchen“ sehr professionell inszeniert, obwohl die Mannschaft nicht gewonnen hat. Das hat auch der deutschen Wirtschaft zu mehr Zukunftsoptimismus verholfen. Solche Effekte kann es natürlich auch umgekehrt geben, wenn ein Schuss aufs Tor danebengeht und eine Mannschaft frühzeitig ausscheidet.
Sie waren auch begeisterter Läufer, Ihre Halbmarathon-Bestzeit war eine Stunde, zwölf Minuten.
Peter Filzmaier: Das Schöne am Laufsport ist, dass du mit konsequentem Training dein Ziel erreichen kannst. Und dass es in der Langstrecke kein reiner Talentsport ist. Wenn du einen der afrikanischen Wunderläufer zwingst, nur einmal die Woche zu trainieren, hat ein sehr engagierter Hobbyläufer eine Chance gegen ihn. In anderen Sportarten muss man ein Bewegungstalent sein, laufen kann jeder.
Was ist Ihr Tipp für jemanden, der sich mehr bewegen möchte?
Peter Filzmaier: Das erste Ziel sollte sein, nach einem Monat eine halbe Stunde durchlaufen zu können, ohne sich nachher am Laternenpfahl festhalten zu müssen – Tempo egal. Das ist ein Ziel, das jeder, außer es gibt schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen, schaffen kann. Das Schöne am Laufen ist, dass man es immer und überall machen kann, auch wenn man beruflich viel unterwegs ist. Inzwischen sorgt es nicht mehr für Verwunderung, wenn man nach den besten Laufstrecken fragt.
Georg Renner