Wer in Deutschland auf ein Spenderorgan angewiesen ist, muss deutlich länger warten als in Österreich. Rund 9000 Menschen benötigen ein neues Herz, eine Niere oder eine Leber, allerdings gab es im Vorjahr nur 2995 Spender, noch einmal 118 weniger als 2017. Damit sich das ändert, will sich das Nachbarland der österreichischen Regelung annähern. Der Bundestag stimmt heute darüber ab.
Die Neuregelung hat auch auf Österreicher Auswirkung, denn wer sich im Nachbarland aufhält, gilt ohne Organspendeausweis oder Patientenverfügung bisher als Nicht-Spender. Bei dieser Entscheidungslösung muss eine ausdrückliche Willensäußerung vorliegen. Gibt es die nicht, werden im Todesfall die Angehörigen zum mutmaßlichen Willen befragt.
Eine Frage des aktiven Willens
Allerdings besitzt nur jeder dritte Deutsche einen Organspendeausweis. In Österreich hingegen gilt mit der Widerspruchslösung die gegenteilige Regelung. Wer nicht aktiv seinen Willen ausdrückt, dem können nach dem Tod ungefragt Organe entnommen werden. Angehörige haben kein Widerspruchsrecht. Deshalb werden in Österreich deutlich mehr Organe entnommen als in Deutschland. Auch Deutsche fallen übrigens in Österreich unter diese Regelung.
Jeder soll als Spender gelten
Darauf zielt die Initiative von Gesundheitsminister Jens Spahn. Weil das Thema ethisch heikel ist und über Jahre hinweg debattiert wurde, wird – was selten vorkommt – der Fraktionszwang im Bundestag aufgehoben. Jeder Abgeordnete ist bei der Entscheidung über Spahns Gesetzesentwurf und den Gegenentwurf zur Beibehaltung der Entscheidungslösung nur seinem Gewissen unterworfen. Spahn strebt eine doppelte Widerspruchslösung an. Danach soll jeder als Spender gelten, es sei denn, man erhebt zu Lebzeiten Widerspruch oder Hinterbliebene widersprechen nach dem Tod.
Widerspruchsregister: Einspruch erheben
Während sich in Deutschland jeder Dritte aktiv für eine Spende ausspricht, haben sich 0,5 Prozent der Österreicher in das Widerspruchsregister eingetragen. Deshalb anzunehmen, dass viele Organe über den Organspendeverbund, an dem acht Länder teilnehmen, von Österreich über die Grenze nach Deutschland gehen, stimmt ausdrücklich nicht. Eurotransplant berücksichtigt nach eigenen Angaben, wie viele Spenderorgane ein Land aufbringt und berücksichtigt dies bei der Verteilung. Gerade im Grenzbereich kann es also erheblich sein, auf welcher Seite man auf ein Spenderherz oder eine Spenderniere wartet.
Aber auch in Österreich werden in der Praxis bei einem Hirntod immer noch die Angehörigen befragt, ob ihnen eine Ablehnung der Organspende durch den Verstorbenen bekannt sei, wenn es keinen Eintrag im Widerspruchsregister gibt. In nahezu jedem fünften Fall lehnten die Angehörigen eine mögliche Organentnahme ab und sie wurde unterlassen.
Ingo Hasewend