Sprichwörtlich "gesund" sollte man am besten vor chirurgischen Eingriffen sein. Zur Hochsaison von Husten, Schnupfen, Heiserkeit & Co. samt "echter" Virusgrippe ist das bei Weitem nicht immer gegeben.

Bei Kindern wie bei Erwachsenen gilt: Risikobestimmung von Fall zu Fall. Die Erfahrung des Anästhesisten kann niemand ersetzen.

"Bei den Kindern ist das natürlich ein spezieller Fall. Wenn man’s streng nimmt bzw. pointiert ausdrückt, könnten wir da von November bis Februar daheim bleiben", sagte Peter Marhofer, Leiter der Kinderanästhesie von MedUni Wien/AKH. Es geht de facto also nicht um ein Kreislaufrisiko.

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In der Kinderchirurgie bzw. in der Kinderanästhesie ist die Häufigkeit von potenziellen Risikosituationen natürlich stark vom Alter abhängig. "Die ganz Kleinen, die Kinder im ersten Lebensjahr, haben kaum Atemwegsinfektionen. Das trifft – wir alle wissen – vor allem Kinder im Kindergartenalter. Da machen sie eben im Durchschnitt acht bis zehn respiratorische Infekte pro Saison durch", erklärte der Anästhesist. Das bedeutet, dass geplante Eingriffe im ersten Lebensjahr zumeist nach Plan ablaufen können und auch kaum "saisonabhängig" sind.

Vier Wochen warten

Die Frage aber ist, wie man eben vorgeht, wenn ein geplanter Eingriff bevorsteht und eine Atemwegsinfektion auftaucht. "Streng nach dem Lehrbuch müsste man bei einer Atemwegsinfektion vier Wochen lang warten. Wir sind da in unserem Bereich und mit unserer Erfahrung und Ausbildung großzügiger und sprechen eher von einem Abstand von zwei Wochen", sagte Marhofer.

Klassisch: klare Flüssigkeit aus der Nase ist das Zeichen eines zumeist viral bedingten Infekts, muss aber längst noch nicht das Absagen eines Eingriffs bedeuten.

Was für die elektiven Eingriffe gilt, gilt nicht für akut notwendige Operationen. "Eine akute Appendizitis (Blinddarmentzündung) wird man auf jeden Fall operieren, weil sonst Schlimmeres droht. Eine Knochenfraktur wird man einrichten – und das erfolgt bei uns bei Kindern immer unter Regionalanästhesie und Sedierung", sagte Marhofer.

Angepasstes Anästhesieverfahren

Man kann sich – zu einem Gutteil – mit einer differenzierten Auswahl des Anästhesieverfahrens helfen. "Wir arbeiten an sich schon zu einem hohen Anteil mit Regionalanästhesie. Allerdings kann man da oft auch nicht ganz ohne Allgemeinnarkose aus. Ab dem Nabel kommt bei kleinen Kindern die Kaudalblockade (eine spezielle Art der Epiduralanästhesie) zum Einsatz", erklärte der Experte.

"Jedenfalls wird man von Fall zu Fall entscheiden, ob es zu dem Eingriff kommt oder aufgeschoben wird. Wir hören die Patienten ab. Laborparameter wie CRP oder Leukozyten werden erhoben. Für die Influenza steht der serologische Nachweis zur Verfügung", sagte Marhofer. Die Influenza selbst sei speziell ein Thema für die Intensivmedizin: "Gar nicht so selten landen da Patienten im Lungenversagen mit dann langen Aufenthalten auf der Intensivstation."

Während die Influenza mit akut hohem Fieber und schwerem Krankheitsgefühl Patienten buchstäblich schachmatt setzt, verlaufen "Husten, Schnupfen, Heiserkeit" langsamer, weniger fieberhaft – sind aber zum überwiegendsten Teil ebenfalls auf virale Erreger zurückzuführen.

Verschiebung keinesfalls die Regel

"Wir haben normalerweise neun OP-Säle laufen. Dass wir Eingriffe wirklich absetzen, geschieht nicht so häufig, auch nicht zu 'Grippezeiten'", betonte Achim von Goedecke, Leiter des Instituts für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Klinikum Steyr zu dem Thema von Grippe & Co. bei Erwachsenen und Anästhesie bei chirurgischen Eingriffen.

Bei produktivem Husten würde man individuell das Risiko bestimmen.

Was bei Erwachsenen und betagten Patienten eben oft an elektiven Eingriffen geplant ist: orthopädische Operationen mit Endoprothesen von Hüfte oder Kniegelenk. "Da wird der Operateur bei bakteriellen und viralen Infektionen vorsichtig sein, weil das Risiko einer Protheseninfektion im Rahmen des Eingriffs gegeben ist", erklärte von Goedecke.

Echte Influenza

Anders bei der echten Influenza. "Da sind die Patienten schwerkrank und haben Fieber. Das ist keine banale Erkältung. Da rufen sie zumeist schon von sich aus an und teilen mit, dass sie zur Operation nicht kommen können", erklärte der Institutschef.

Wobei man auch in Steyr Eingriffe zu einem hohen Anteil unter Regionalanästhesie durchführt und so dem Atemwegsrisiko infolge von Infektionen – teilweise – ausweichen kann. "Wenn die Regionalanästhesie versagt, wird eine Vollnarkose eben notwendig", erklärte der Anästhesie-Abteilungschef am Klinikum Steyr.

Vorsicht ist bei Risikopatienten angebracht. "Schwere Erkältungen sind an sich schon für manche Patienten eine große Herz-Kreislauf-Belastung. Da wird man gut überlegen, ob man einen größeren Eingriff – zum Beispiel wegen einer Herzerkrankung – durchführt. Dafür ist eine Vollnarkose notwendig. Anders ist das bei leichten Erkältungen", sagte von Goedecke.

Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) sind ebenfalls eine spezielle Gruppe, weil bei ihnen an sich schon die Lungenfunktion eingeschränkt ist. "Da wird man danach trachten, einen Eingriff in einem infektionsfreien Intervall durchzuführen", erklärte der Anästhesist und Intensivmediziner.

Eingriffe relativ selten verschoben

Im Grunde ist das Sicherheitsnetz eng geknüpft, um Komplikationen möglichst auszuschalten. "Der Operateur stellt die Indikation für den Eingriff. Im Regelfall sehen wir den Patienten einige Wochen vor der Operation in unserer Anästhesieambulanz und geben ihn für den Eingriff frei. Je nach Krankheitszustand kann zusätzlich auch eine Vorstellung bei einem Lungenfacharzt, Neurologen etc. erfolgen. 90 Prozent der Patienten kommen dann am geplanten OP-Tag um 6.30 Uhr ins Spital. Da werden sie noch einmal angeschaut." – Wie eben gesagt: Das akute Verschieben von Eingriffen sei relativ selten.