Unser Leser wohnt gemeinsam mit seiner Mutter in einer Wohnung, die die Mutter gemietet hat. „Meine Mutter ist pflegebedürftig, ich selbst bin nach einer Krebserkrankung arbeitsunfähig“, schildert er seine Situation, in der die Familie mit Pension und Pflegegeld gerade so über die Runden kommt. Im vergangenen Frühjahr wurde der 24-jährige Sohn unseres Lesers arbeitslos, konnte sich seine eigene Wohnung nicht mehr leisten und zog kurzerhand bei Vater und Großmutter ein. Als Übergangslösung wäre das kein Problem gewesen. „Aber mein Sohn macht keinerlei Anstalten, sich eine Arbeit zu suchen oder sich sonst irgendwie nützlich zu machen, und ab kommendem Jahr müssen wir mit noch weniger Geld auskommen“, klagt der Vater über einen Sohn, der bei ihm wie in einem Hotel mit Vollpension lebt. „Am liebsten würde ich seine Sachen packen und ihn vor die Tür setzen“, erklärt der Mann. „Rechtlich gesehen darf ich das aber gar nicht, wurde mir gesagt – angeblich könnte er sich mit polizeilicher Hilfe jederzeit wieder Zutritt zur Wohnung verschaffen, weil er hier gemeldet ist. Kann das sein?“, fragt sich unser Leser.
Wir haben den Grazer Anwalt Heimo Hofstätter um seine Rechtsmeinung gebeten. Er sagt: „Die grundsätzliche Frage ist, ob tatsächlich eine polizeiliche Meldung des Enkelsohnes in der Wohnung seiner Großmutter vorliegt, was sich leicht mit einer Meldeamtsanfrage überprüfen lässt. Dazu benötigt man nur den Namen und das Geburtsdatum der betreffenden Person. Das Melderegister ist öffentlich.“ Anmelden hätte sich der Enkelsohn nur mit einer Unterschrift der Unterkunftgeberin (also seiner Großmutter) auf dem Meldezettelformular können, das vollständig ausgefüllt bei der zuständigen Behörde abzugeben ist. Sollte die Großmutter den Meldezettel mitunterschrieben haben, wird es nach Einschätzung des Juristen nicht ganz einfach sein, den Enkel aus der Wohnung zu bekommen. „Daraus könnte nämlich abgeleitet werden, dass die Großmutter – zumindest ursprünglich – damit einverstanden war, dass ihr Enkel bei ihr Wohnung nimmt.“ Daraus sei allerdings kein Mietverhältnis abzuleiten. Es könne sich allenfalls um ein sogenanntes Prekarium handeln, das von der Großmutter aber jederzeit widerrufen werden kann. „Wenn nach dem Widerruf der Enkel nicht auszieht, müsste er auf Räumung geklagt werden.“ Grundsätzlich hat das nicht selbsterhaltungsfähige Kind, wie Hofstätter erklärt, einen Unterhaltsanspruch gegenüber seinen Eltern – subsidiär auch gegenüber den Großeltern. Der Enkel könnte daher versuchen, zu argumentieren, dass ihm mit der Zurverfügungstellung einer Wohnmöglichkeit Naturalunterhalt gewährt wird.
„Im vorliegenden Fall wird zu prüfen sein, ob eine Selbsterhaltungsfähigkeit des Enkels gegeben ist. Auch eine einmal eingetretene Selbsterhaltungsfähigkeit kann aus den unterschiedlichsten Gründen wieder wegfallen, was dann zur Folge hat, dass die Unterhaltspflicht der Eltern wieder auflebt.“
Das Kind verliere seinen Unterhaltsanspruch aber jedenfalls, wenn es nach Abschluss der Berufsausbildung die Aufnahme einer ihm zumutbaren Erwerbstätigkeit aus Verschulden unterlässt.
Anders ist die Situation, wenn die Großmutter den Meldezettel als Unterkunftgeberin nicht mitunterfertigt hat: „Dann bewohnt der Enkel die Wohnung titellos. Wenn er nicht freiwillig zum Auszug bewegt werden kann, bleibt der Großmutter nur übrig, mittels Räumungsklage gegen den Enkel vorzugehen.“ Ein stattgebendes Urteil würde den Enkel verpflichten, die Wohnung zu räumen, diese Verpflichtung könnte auch im Exekutionswege erzwungen werden.
Aber egal, wie man es nun dreht und wendet: Einfach die Koffer des Sohnes vor die Tür zu stellen, ist aus Sicht des Juristen keine gute Idee. „Das könnte durchaus eine Besitzstörungshandlung darstellen, ich würde dieses Risiko nicht eingehen.“