Bis zu ihrer Übersiedlung in ein Pflegeheim 2014 wohnte die seit damals auch besachwaltete Frau gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten in einem Haus in Niederösterreich. Die Kopie des Testaments samt originalen Änderungen, in dem die Frau ihr Vermögen ihrem Lebensgefährten und, sollte dieser die Erbschaft nicht antreten können, zwei Ersatzerben vermachte, wurde in einem Kuvert in einer verschlossenen Schatulle in eben diesem Haus aufbewahrt. Der Lebensgefährte verstarb 2014. Die beiden „Ersatzerben“ wollten 2017 schließlich mit eben diesem Testament zu gleichen Teilen ihr Erbe antreten und rechtfertigten das Abhandenkommen des Originals der letztwilligen Verfügung mit dem schlechten geistigen Gesundheitszustand der Erblasserin und ihrer damit einhergehenden mangelhaften Fähigkeit, Ordnung zu halten. Es habe sich lediglich um einen zufälligen Verlust der letztwilligen Anordnung und nicht um einen Widerruf gehandelt. Die Verstorbene sei zuletzt ein „Messie“ und das Auffinden des Originaltestaments in ihrem Haus mit Sicherheit nicht möglich gewesen. Dieses sei im Zuge des Verkaufs und der Räumung des Hauses im Jahr 2016 verloren gegangen. Der wahre Wille der Erblasserin sei aufgrund der vorliegenden handschriftlich ergänzten Testamentskopie von 2003 evident, nämlich die Einsetzung des Lebensgefährten als Erben sowie die Nennung seiner Ersatzerben.
Elf Nachkommen einer Tante und zweier Onkel der Verstorbenen stellten allerdings als gesetzliche Erben ebenfalls Anspruch auf das Vermögen und wandten im Nachlassverfahren ein, die Kopie eines Testaments, also dessen bloße „Abschrift“, entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Eigenhändigkeit eines Testaments. Die handschriftliche Streichung und die Hinzufügung des Namens auf der Kopie ergäben für sich gesehen keinen Sinn und enthielten keine Erbeinsetzung. Im Falle eines Verlusts der Urkunde sei zu vermuten, dass das Testament widerrufen worden sei. Der Erbenstreit landete unweigerlich vor Gericht. Zwei Instanzen entschieden zugunsten der Testamentserben und hielten das Testament für formgültig.
Der Oberste Gerichtshof widersprach nun dieser Rechtsansicht. Er hielt fest, dass es sich bei dem lediglich in Kopie vorliegenden Textteil der Urkunde um keinen eigenhändigen Text handelt. Die originalen eigenhändigen Textteile wiederum wären nur dann als formgültige letztwillige Verfügung zu beurteilen, wenn sie für sich genommen einen Sinn ergeben würden. Da dies nicht zutrifft, lag kein formgültiges eigenhändiges Testament vor. Dennoch bliebe der letzte Wille wirksam, wenn die originale Testamentsurkunde aus dem Jahr 1994 nur zufällig zerstört oder verloren gegangen wäre. Dies muss auf der Tatsachenebene noch geklärt werden, weshalb die zweitinstanzliche Entscheidung aufzuheben war.
In aller Deutlichkeit gesagt: Wer sich auf ein in Verlust geratenes Testament zu seinen Gunsten beruft, muss nicht nur dessen Inhalt beweisen, sondern auch den Umstand, dass der Verlust oder die Vernichtung des Testaments auf einem Zufall beruht und nicht auf den Willen des Erblassers zurückzuführen ist. Dies gilt auch, wenn sich der Erbansprecher zum Beweis des Inhalts auf eine Fotokopie des Testaments stützen kann.