Endlich ist der Sommer da! Doch leider haben die herrlichen Temperaturen auch ihre tragischen Seiten: Juni und Juli sind Hochsaison für Ertrinkungsunfälle. Kinder unter 5 Jahren sind besonders gefährdet. Der Verein GROSSE SCHÜTZEN KLEINE appelliert an Eltern und Aufsichtspersonen: Kinder im und am Wasser niemals aus den Augen lassen und in deren Schwimmkenntnisse investieren!

Univ.-Prof. Dr. Holger Till, Präsident des Vereins GROSSE SCHÜTZEN KLEINE und Vorstand der Grazer Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie, warnt eindringlich: „Kinder ertrinken lautlos und innerhalb weniger Minuten. Deshalb sollte man sie, bis sie 10 Jahre alt sind und sehr gut schwimmen können, am und im Wasser nie aus den Augen lassen! Das klingt sehr strikt, aber hier gibt es absolut keinen Spielraum für Kompromisse!“

Im Fokusreport „Ertrinken von Kindern in Österreich“ hat der Verein GROSSE SCHÜTZEN KLEINE 200 Ertrinkungsunfälle analysiert. Jeder fünfte Ertrinkungsunfall endet tödlich. Auf ein tödlich verunglücktes Kind kommt ein weiteres, das sein weiteres Leben mit einer schweren geistigen Behinderung verbringen muss.

Tückisches Mysterium: der „Totstellreflex“

Einer der Gründe für das hohe Ertrinkungsrisiko bei Kleinkindern ist der sogenannte „Totstellreflex“, der bei Kindern bis 3 Jahre auftritt: Sie können aus ungeklärter Ursache den Kopf nicht aus dem Wasser heben, selbst wenn die Wassertiefe 10 cm oder weniger beträgt. Gefahrenquellen sind deshalb nicht nur Pools, Biotope oder Teiche, sondern auch Planschbecken und Regentonnen.

61 % der Ertrinkungsunfälle betreffen 0-4-Jährige, 50 % passieren sogar bis zum 3. Lebensjahr. Auf 5 – 9-jährige Kinder entfallen 25 % der Ertrinkungsunfälle, 14 % auf 10-14-jährige. Wie bei vielen anderen Kinderunfallarten sind auch bei Ertrinkungsunfällen die Buben mit zwei Drittel der Unfälle einem höheren Risiko ausgesetzt.

Was Bewusstseinsbildung bringt

„Ertrinken ist die häufigste tödliche Unfallursache bei Kindern bis 5 Jahre, die zweithäufigste bei älteren Kindern. Dennoch zeigt sich: Bewusstseinsbildung wirkt! Betrachtet man die tödlichen Kinderunfälle seit dem Jahr 1996 in 5-Jahres-Schritten, so sieht man, dass der Anteil der Ertrinkungsunfälle von 18 % im Zeitraum 1996 – 2000 auf 10 % im Zeitraum 2011-2015 zurückgegangen ist, sich also beinahe halbiert hat“, betont Dr. Peter Spitzer vom Forschungszentrum für Kinderunfälle des Vereins GROSSE SCHÜTZEN KLEINE.

Wo am meisten passiert

Die Jüngsten verunfallen zumeist zu Hause, die mittlere Altersgruppe im Schwimmbad und die älteren Kinder in See bzw. Fluss, beim legalen aber auch illegalen Baden. Fast die Hälfte  aller Ertrinkungsvorfälle passiert in öffentlichen Schwimmbädern oder Seen, rund ein Viertel im eigenen Pool. Danach folgen Flüsse und Teiche/Biotope.

In öffentlichen Schwimmbädern ist die Überlebensrate nach einem Ertrinkungsunfall relativ hoch, weil das zu ertrinken drohende Kind oftmals rasch bemerkt bzw. aufgefunden wird. Außerdem gibt es hier eine schnelle, gute Rettungskette.

Am gefährlichsten ist es daheim

Betrachtet man jedoch die tödlich ausgehenden Ertrinkungsunfälle, so finden sich private Pools und Flüsse an erster Stelle. Auf sie entfallen je 30 % der tödlichen Unfälle. 14 % passieren in öffentlichen Schwimmbädern, 9 % in Seen.

In privaten Pools wird das Kind oft zu spät bemerkt. Auch sind die Erste-Hilfe-Kenntnisse der „Aufsichtsperson“ meist mangelhaft. Till rät daher dringend, einen Kindernotfallkurs zu besuchen, um im Ernstfall schnell und richtig reagieren zu können. In Seen erschwert vor allem die schlechte Sicht das rasche Auffinden des untergegangenen Kindes.

Mangelnde Aufsicht und Überschätzen des Könnens

Eine Unterscheidung des Unfallherganges in „bewusstes Schwimmen und untergehen“ (41 %), „Hineinstürzen in ein Gewässer“ (34 %) und „unbemerkt ins Wasser gelangen“ (25 %) zeigt, dass bei den Jüngsten die Aufsicht der Erwachsenen und bei den Mittleren das Überschätzen der Schwimmkenntnisse signifikant zum Unfall beitragen. Ab 4 Jahren sollten Kinder Schwimmkurse besuchen! „Scheine“, wie etwa der Freischwimmerausweis, werden aber sowohl von Kindern als auch von Eltern überschätzt.

„Kinder, die gerade erst schwimmen gelernt haben, sind im Wasser nicht sicher. Vor allem, wenn sie es in einem Schwimmbad gelernt haben, und nun in einem See oder im Meer schwimmen. Werden sie von einer ungewohnten Situation überrascht, können sie alles Gelernte vergessen und schnell und lautlos untergehen“, gibt Till zu bedenken. Neben Meer und See passiert das auch immer wieder in Wellenbecken und Strömungskanälen.