Unsere Leserin backt ihr Brot regelmäßig selbst – „mindestens zweimal pro Woche eines mit 800 Gramm Mehl“, wie sie sagt. Wenn man das regelmäßig macht, falle es einem irgendwann einfach auf: „In einem Packerl Mehl sind mitunter nur 900 Gramm drinnen,“ schildert sie ihre Erfahrungen, mit denen sie auch den Mehlproduzenten konfrontiert hat. Dessen Erklärung fand sie dann doch sehr erstaunlich:
„Wir als Produzent müssen nach Fertigverpackungsverordnung sicherstellen, dass 1000 Gramm in die Beutel hineingewogen werden. Dazu werden bei uns mit einer geeichten Waage Stichprobenkontrollen gemacht. Das Mehl hat bei der Abfüllung 14 Prozent Feuchtigkeit. Durch die lange Lagerung, unter anderem im Geschäft, wird das Mehl auf eine Feuchtigkeit von circa 8 bis 10 Prozent getrocknet, dadurch ergibt sich natürlich ein niedrigeres Gewicht. Wir überfüllen normalerweise die Säcke mit 5 bis 10 Gramm, um dies etwas auszugleichen...“
Unsere Leserin fragte zurück
„Sie verkaufen mir also 100 Gramm Feuchtigkeit?“ fragte die Leserin beim Kundenservice des Unternehmens. Die Antwort lautete diesmal:
„Eine so hohe Differenz ist uns bis dato noch nicht untergekommen. Hätten Sie zufällig noch eine solche Mehlpackung zu Hause? Wir würden das Mehl gerne auf unserer geeichten Waage kontrollieren. Außerdem möchten wir Ihnen die betroffenen Mehlpackungen ersetzen.“
Eine Packung Mehl zu ersetzen, ist für unsere Leserin aber keine Lösung des Problems an sich. „Ich würde einfach gern haben, dass in einer 1-Kilo-Packung tatsächlich ein Kilo drinnen ist“, sagt sie.
Beim Verein für Konsumenteninformation (VKI) ist das Problem bestens bekannt. „Immer wieder erreichen uns Beschwerden von Konsumenten zu unterfüllten Packungen – vor allem, wenn es um Mehl, Nüsse und Nudeln geht“, heißt es dort. Auch wenn es bei den Abweichungen meist nur um wenige Gramm gehe, fühlten sich die Käufer betrogen.
Das führt zur Frage, wofür die Zahl in Gramm oder Litern, die auf jeder Fertigpackung zu finden ist, eigentlich steht. „In der EU geht es dabei nicht um Mindestfüllmengen, sondern um Nennfüllmengen, bei denen Abweichungen nach unten und oben möglich sind“, sagen die Experten des VKI.
Wo die Grenzen liegen
Zum Schutz der Konsumenten gebe es bei Unterfüllungen aber strenge Grenzen. „So dürfen bei einer Nennfüllmenge von 50 bis 100 Gramm 4,5 Gramm fehlen. Bei der Nennfüllmenge von 200 bis 300 Gramm sind 9 Gramm weniger zulässig - um nur zwei Beispiele zu nennen.“ Daneben gebe es auch noch eine „doppelte Minusabweichung“, die innerhalb einer Charge vorkommen darf. Zur Sicherheit des Konsumenten gelte aber das Mittelwertprinzip, das besagt, dass die Nennfüllmenge einer ganzen Charge im Schnitt nicht unterschritten werden darf. Über alle Packungen gerechnet, müsse also immer drinnen sein, was außen draufsteht.
Was die Sache zusätzlich kompliziert macht: Entscheidend ist, wie viel die Packungen zum Zeitpunkt der Abfüllung oder kurz danach gewogen haben, und nicht nach langer Lagerung. Lebensmittel können sich nämlich verändern: Mehl, Nüsse und Nudeln enthalten einfach auch Wasser, das mit der Zeit verdunstet.
Merke: Beim Backen hängt es nicht nur von der Größe der Eier ab, wie viel Flüssigkeit man zugeben muss, um einen geschmeidigen Teig zu erhalten: Entscheidend ist oft auch die Trockenheit des Mehls.