Eine wundervolle Freundschaft (Von Sissi Maier)
Mein Name ist Sissi Maier, ich bin 48 Jahre alt, habe zwei fast erwachsene Söhne und bin verheiratet. Seit 2002 leide ich an Brustkrebs. Seit 2012 an Knochen- und Leberkrebs, wobei ich seit dieser Zeit palliativmedizinisch betreut werde.
Im September 2014 hatte ich das Glück, dass sich bei mir eine ehrenamtliche Hospizbegleiterin aus unserer Gemeinde vorstellte. (Wir kannten uns eigentlich schon aus der Grundschulzeit unserer Kinder, hatten aber bis zu diesem Zeitpunkt keinen persönlichen Kontakt.) Seit dieser Zeit kommt sie einmal in der Woche zu mir.
Ich war anfangs sehr skeptisch, was mich da erwarten würde, aber dann passierte etwas für mich ganz Unerwartetes: Zwischen mir und meiner Hospizbegleiterin entwickelte sich eine wirklich wundervolle Freundschaft. Es war plötzlich jemand da, der sich um mich kümmerte, ohne etwas dafür zu verlangen. Der mein Leiden mit mir teilte, der mich auch oft zum Lachen brachte – auch wenn mir danach gar nicht zumute war, der für mich manchmal meine Einkäufe erledigte, mit mir zum Arzt fuhr und mir meine Einsamkeit vertrieb. Sie ist einfach immer für mich da, und es gibt keinen Dienstag (= UNSER TAG!!!), den ich missen möchte. Wir reden sehr viel – vor allem über meine Sorgen und Probleme – und sie versucht, so gut es ihr möglich ist, mir mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Wenn es mir zwischendurch etwas besser ging, machten wir hin und wieder auch kleine Ausflüge oder besuchten eine Ausstellung in der Nähe. Ich habe durch sie gelernt, was Freundschaft, Vertrauen, Spaß – trotz meiner Krankheit – heißt! Durch meine Krankheit habe ich viele Freunde verloren, aber eine sehr gute Freundin gewonnen. Das macht mich sehr glücklich!
Ein ganzer Felsen (Von Sigi Kaiser)
Als ich eines Abends heimkam, sagte meine Frau, ich sollte einen Mann anrufen. „Ich werde morgen zurückrufen, es ist doch schon nach 20 Uhr“, antwortete ich. „Er wartet aber auf deinen Rückruf“, meinte meine Frau. Ich rief an. Ein hörbar erleichterter Mann bedankte sich und erzählte mir von seinem Leid: Seine Gattin ist an Leukämie erkrankt und befindet sich im Endstadium. Er macht alles für sie, er kann kochen, den Haushalt besorgen, die Windeln wechseln – er ist 24 Stunden für sie da. Das macht ihm nichts aus, nur in letzter Zeit wollte sie immer öfter über das Sterben sprechen – und das hält er nicht aus. Immer wenn es so weit ist, geht er in die Küche und weint.
Auch beim Erzählen hörte ich ein Weinen. Ich hörte ihm nur zu, als er plötzlich sagte: „Jetzt hören Sie mir über eine Stunde zu, was Sie das kostet.“
Über das Finanzielle, sagte ich ihm, brauchen wir beide uns keine Sorgen zu machen, denn unser steirischer Hospizverein hat großartige Sponsoren. Als Nächstes kam: „Und Ihre Zeit – es ist auch schon spät.“ Meine Antwort: „Wenn es Ihnen guttut, gibt es einfach eine Fortsetzung. Falls es euer gemeinsamer Wunsch ist, komme ich euch einmal besuchen.“
Ich hörte ihn tief atmen, danach wie befreit sagen: „Jetzt ist mir nicht nur ein Stein vom Herzen gefallen, sondern ein ganzer Felsen.“ Danach war es still, erst nach einiger Zeit hörte ich ein Klick.
„Ich brauche noch eine Fuhre Holz für den Winter!" (Von Maria Freissling)
Mein erster Besuch bei Herrn Z. war ein Gespräch mit den pflegenden Angehörigen. Herr Z. saß im Rollstuhl und war nicht ansprechbar. Ich dachte, diese Begleitung wird wohl eine nonverbale werden. Der nächste Besuchstermin brachte eine große Überraschung. Herr Z. saß wieder in seinem Rollstuhl und erwartete mich bereits. Es interessierte ihn sehr, wer ich bin und woher ich komme. Er war aber auch nicht zurückhaltend, mir von ihm zu erzählen. In den zwei Stunden unseres Zusammenseins hat mir Herr Z. viel von seinem Leben erzählt; in der Jugendzeit hat er sehr gerne getanzt und sich mit viel Liebe und Hingabe um seine Landwirtschaft gekümmert. Seine besondere Fürsorge galt seinen Wäldern.
Als ich mich dann verabschiedete, fragte ich ihn, ob ich in einer Woche wiederkommen darf. Er meinte: „Natürlich, ich freue mich schon jetzt.“ Auf meine Frage, ob ich etwas mitbringen soll, meinte Herr Z.: „Ja, eine Motorsäge, damit wir gemeinsam vom Wald noch eine Fuhre Brennholz für den kommenden Winter holen können.“ Lächelnd musste ich ihm gestehen, dass ich leider keine Motorsäge habe. Er meinte: „Macht nichts, ich werde schon eine organisieren.“
Ich war tief berührt, dass Herr Z. mich so nahe in seinen engsten Lieblingsbereich, seinen geliebten Wald, mitnehmen wollte.
Tanzen konnten wir zwei nicht mehr, aber gesungen haben wir schon. Beim Lied „Wann du durchgehst durchs Tol, he Bua, jauchz no amol“ hat er immer gerne eingestimmt. Die Fuhre Holz haben wir nicht mehr heimgebracht, aber Herr Z. konnte bis zu seinem Heimgang liebevoll gepflegt leben.