Was für ein beeindruckender Steckbrief! Er gehört zu den ältesten Knochenfischen, die es noch gibt – diese Fischart besiedelt seit rund 200 Millionen Jahren Meere und Flüsse. Er erreicht ein Höchstalter von mehr als 150 Jahren. Er wiegt bis zu zwei Tonnen und wird bis zu sieben Meter lang. Er ist ein diadromer Fisch, wandert also zur Laichablage vom Meer in Süßgewässer; in seinem Fall waren es bis zu 2000 Kilometer vom Schwarzen Meer die Donau hinauf, wodurch er als Langdistanzwanderer gilt.
Die Rede ist vom Hausen, auch Beluga-Stör genannt. Doch nicht nur diese bemerkenswerten Eckdaten haben dazu geführt, dass dieser imposanten Fischart im kommenden Jahr hierzulande besondere Aufmerksamkeit zukommt: Er ist „Fisch des Jahres 2025“.
Der „Fisch des Jahres“ wird in Österreich alljährlich gewählt, und zwar – seit 2014 – von allen, die bei der Wahl mitmachen. Die „wohlbegründeten“ Wahlvorschläge für das Folgejahr werden unter der Leitung des Österreichischen Fischereiverbandes Mitte des Jahres bekannt gegeben, die heurige Abstimmung lief bis 30. September. Generell soll durch die Auswahl der Vorschläge – neben der Bedeutung für die Fischerei – „auf die aktuelle Bedrohung der Art und auf die Gefährdung des Lebensraums“ hingewiesen werden.
„Beim Hausen ist es 5 nach 12“
Wie aktuell diese Bedrohung und Gefährdung für den Hausen ist, zeigt die Aussage des Oberösterreichischen Landesfischereiverbandes: „Bei manchen Fischen ist es 5 vor 12, beim Hausen ist es 5 nach 12!“ Der Hausen ist dabei als Stellvertreter der europäischen Störartigen zu sehen: Von einst sechs Arten sind in der Donau zwei bereits ausgestorben, und auch die Bestände der verbleibenden vier Arten – Sterlet, Waxdick, Sternhausen und Hausen – können sich nicht mehr aus eigener Kraft erholen.
Entsprechend wird der Hausen auf der Roten Liste der „Internationalen Union zur Bewahrung der Natur“ als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft. Bestände gibt es nur noch im Schwarzen Meer und flussauf in der Unteren Donau, bis zum Eisernen Tor, einem Talschluss nahe der Grenze Rumänien–Serbien. In der Mittleren Donau (bis zur Grenze Slowakei–Österreich) und der Oberen Donau ist der Hausen bereits ausgestorben. Die Ursachen liegen vor allem in der starken Überfischung sowie im Verlust des Lebensraumes bzw. dessen Fragmentierung durch die Errichtung von Kraftwerken und Staustufen. Diese machen derzeit eine Laichwanderung unmöglich.
Einen positiven Ausblick gewährt das EU-Projekt „Life-Boat 4 Sturgeon“. Dieses hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 1,6 Millionen Störe (Sterlet, Waxdick, Sternhausen und Hausen) nachzuzüchten und Jungtiere in unterschiedlichen Donauabschnitten auszuwildern. Zudem dient dieses Projekt durch den Aufbau einer Gendatenbank dem Erhalt der genetischen Vielfalt. Dazu wird in Wien aus einem ehemaligen Steintransportschiff eine schwimmende Fischaufzuchtstation aufgebaut, es folgen weitere Standorte in Ungarn und Slowenien.
Gefährdete Delikatesse
Die Verbindung des Hausens mit dem deutschsprachigen Gebiet entlang der Donau zeigt sich nicht nur an der Namensgebung: Der Doppelname „Huso huso“ geht auf Carl von Linné zurück, wobei althochdeutsch „hūso“ eine Übernahme des türkischen Wortes „uzun“, „lang“, sein soll. Auch deutschsprachige Rezeptsammlungen seit dem Mittelalter zeugen davon, dass dieser „lange“ Fisch ein beliebter Speisefisch war. Verwertet wurde dabei nicht nur das weiße Fleisch, von dem die Bezeichnung Beluga herrührt (aus dem Russischen „bel“ für „weiß“), sondern nahezu der ganze Fisch.
Eingang in die Küche gefunden hatte auch die Hausenblase: Durch den hohen Kollagengehalt war sie etwa zur Herstellung von Sulzen oder zum Eindicken von Saucen gebräuchlich. Noch in Katharina Pratos Kochbuch „Die Süddeutsche Küche“, erstmals 1858 erschienen, heißt es in der 22. Auflage von 1892, dass die echte Hausenblase „für klare Sulzen der Gelatine oder Gallerte vorzuziehen ist“. Auch zur Klärung von Bier und Wein wurde sie verwendet, ebenso für die Leimherstellung.
Darüber hinaus war und ist der Beluga-Kaviar, der Rogen, eine beliebte – und teure – Delikatesse. Doch zum Schutz dieses wandernden Schwimmers sollten wir auf alle Produkte, die von ihm stammen, verzichten.
Edith Hochegger