Die Klischees und abgedroschenen Flachwitze hört man nach wie vor in der Branche. Etwa: „Frauen gehören an den Herd, Männer in den gastronomischen Sterne-Himmel“. Traurig, aber wahr: In der Realität sieht es zumindest in den Spitzenküchen häufig noch so aus. Die Bedingungen in der Top-Gastronomie schrecken Frauen offenbar nach wie vor ab. Obwohl sich vieles verändert hat. Nicht nur in der Alpenrepublik, auch bei unseren nördlichen Nachbarn. Die Zahlen sprechen in Deutschland für sich: Insgesamt 340 Sternerestaurants präsentiert der Reifenhersteller dieses Jahr in seinem Guide Michelin. 36 Feinschmecker-Restaurants kamen neu hinzu. In drei von ihnen sind Frauen Küchenchefinnen.
Woran liegt das? Geht es nach Karin Stöttinger, braucht es vor allem mehr Sichtbarkeit: „Ich habe auf Google die Schlagworte ,Köchin Österreich‘ eingegeben. Nach einigen wenigen Frauen erschien bereits der erste Mann.“ Die „Female Chefs“-Initiatorin hat im letzten Jahr damit begonnen, nicht nur Köchinnen eine Plattform zu geben. „Die Präsenz von Österreichs Köchinnen, Restaurantinhaberinnen, Hotelbesitzerinnen, Winzerinnen, Sommelières und Produzentinnen soll sich unbedingt steigern“, erklärt Stöttinger.
Das ist binnen eines Jahres schon gut gelungen. „Es gibt aber noch viel zu tun“, war der einhellige Tenor bei der diesjährigen Zusammenkunft der „Female Chefs“ in Wien. Im Rahmen des Events „Female Chefs rock the stage“ wurde unter allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern eifrig diskutiert, weshalb Frauen nur einen Bruchteil der Anerkennung ihrer männlichen Kollegen bekommen. „Frauen müssen zusammenhalten, um sich in der männerdominierten Welt der Kulinarik einen festen Platz zu erobern“, erklärte etwa Gault-&-Millau-Herausgeberin Martina Hohenlohe. Auch sie sprach an, dass es zwar viele talentierte Köchinnen gibt, ihnen aber oft die nötige Aufmerksamkeit zuteilwird.
Genau diese Lücke soll „Female Chefs“ weiter schließen. Die Plattform stellt eine Wissensdatenbank dar, auf welche Firmen, Veranstalterinnen und Veranstalter sowie die Presse zugreifen können. Um all diese Frauen vor den Vorhang zu holen, ihnen Bühnen zu bieten und sie auf diese Weise zu fördern. „Darüber hinaus soll sie Mut machen, inspirieren und den letzten Anstoß für die Umsetzung eigener Ideen geben“, erklärt Stöttinger.
Erfreulicherweise kommt tatsächlich immer mehr Bewegung in die Kulinarikbranche. Das „Female Wine Collective“ etwa hat sich formiert, um nicht nur Barrieren in der Weinbranche zu durchbrechen. Das Ziel: Sich gemeinsam auszutauschen, fortzubilden, Gleichberechtigung in der noch stark männerdominierten Branche zu fördern und sichtbarer zu werden.
Ganz frisch auf dem Gastroparkett ist auch das neue „Kuliktiv“. Dahinter stecken vier junge Frauen aus unterschiedlichen Bereichen der Gastronomie: Viktoria Fahringer, Helena Jordan, Jaimy Reisinger und Sandra Scheidl. Sie eröffnen kein gemeinsames Restaurant, sondern sind für Events oder Pop-ups als weibliches Talentpaket buchbar. Sie zählen zu den aktuell angesagtesten Shootingstars der Szene und waren allesamt auch beim „Female Chefs“-Event zugegen.
Sechs Köchinnen wurden bei dieser Veranstaltung im Vorfeld per Los mit sechs Produzentinnen zusammengewürfelt, um gemeinsam einen Gang zu kreieren. Das Ziel: Eine neue Dimension in der Gastronomie zu eröffnen. Das zeigten an diesem inspirierenden Abend nicht nur die genialen Gerichte, sondern auch der Wille aller Beteiligten, etwas zu schaffen, das größer ist.