Es gibt sie, diese Wirtshäuser, die für alle da sind: für den Seniorenstammtisch, für die kulinarisch Neugierigen, für anspruchsvolle Weinliebhaber – und für die, die gar nichts davon sind und einfach wieder mal etwas Paniertes essen wollen. Von diesen Wirtshäusern gibt es nicht viele, aber zum Glück werden sie auch nicht weniger: Sie überleben das berüchtigte Wirtshaussterben, eben weil sie für alle da sind – und vor allem: Weil sie auf Qualität setzen.
Das Wirtshaus „Der Thaller“ im oststeirischen Anger ist ein Paradebeispiel für ein solches Wirtshaus. Beim Betreten fällt der Blick auf die am Eingang platzierte Dekoration aus Weinflaschen, die ein Faible für renommierte heimische Weingüter wie Tement oder F.X.Pichler, aber auch für Naturweine wie etwa vom südsteirischen Rebenhof offenbaren. Gleichzeitig vermittelt die Theke mit der obligaten Puntigamer-Zapfsäule vertraute Bodenständigkeit, hier kommen die Leut’ zsamm, und rechterhand geht’s schon zum Gastraum, der genauso urig wie geschmackvoll eingerichtet ist. Bis weit nach hinten reicht er, dieser Raum, wo Gäste auch das mit drei Hauben ausgezeichnete Menü von Küchenchef Luis Thaller genießen können.
Wir essen heute aber Wirtshausküche – und sind erst einmal erstaunt über die ausführliche Speisekarte. Wir beginnen filigran: Mit dem Trüffelei (20 Euro), das – wie alle Gerichte hier – heiß serviert wird, was bekanntlich alles andere als selbstverständlich ist. Ein Löffelgericht, in dem auf die cremige Textur aus Ei und Parmesan großzügig Trüffel gerieben wurde. Handwerklich zeugt das dichte Spinatpüree am Tellerboden vom tiefen Aromenverständnis Thallers. Ebenso gelungen: Das Bauernei (14,90 Euro) mit Grammeln und getrocknetem Sellerie, unter dem sich feine Sauschädl-Scheiben verstecken, die selbst den besten Lardo in den Schatten stellen.
Etwas deftiger dann: Die gebratene Gänseleber (26 Euro), deren warmes Fett im Mund förmlich aufplatzt. Besonders beeindruckend: Das saftig gebratene Saiblingsfilet mit Fregola, Eierschwammerl und geräuchertem Schafskäse (29 Euro).
Weinaffinen Gästen sei der Weinkarten-Wälzer empfohlen: In diesem stecken Preis-Leistungswunder inklusive Jahrgangstiefen aus ganz Österreich. Besonders schön: Der Fokus auf südsteirische Weine von biodynamischen Granden wie Andreas Tscheppe, Sepp Muster oder dem Weingut Werlitsch. Aber zur Gänseleber ist ein Puntigamer ja auch nichts Verkehrtes.
Lucas Palm