Wie gelingt es, als Familie ein Spitzenrestaurant 45 Jahre erfolgreich zu führen? Eine verlässliche Antwort kann hierzulande nur eine Familie geben: die Obauers. Genauer: Karl und Rudi Obauer, die beiden Kochbrüder, die seit 1979 hinter dem Herd ihres legendären Restaurants im idyllischen Werfen stehen – und die gehobene Esskultur unseres Landes geprägt haben wie die wenigsten ihrer Zunft. Doch die beiden „Köche des Jahrzehnts“, wie eine ihrer vielen Auszeichnungen lautet, sind nicht nur die längstdienenden Spitzenköche Österreichs, ihr Restaurant gilt auch als einzigartige Talentschmiede, die Generationen von Spitzenköchen hervorgebracht hat.
Um zu verstehen, was hinter dem Erfolg der Obauers steckt, muss man bei ihnen einkehren. Es ist ein sonniger und warmer Tag im Mai. Rudi Obauer scheint gut gelaunt. In Kochmontur nimmt er neben uns Platz, um auf die vergangenen viereinhalb Jahrzehnte zurückzublicken. Allzeit bereit, versteht sich, in die Küche zu huschen, sollte dort Not am Mann sein. „Mein Bruder und ich wussten von Anfang an: Das wird kein Sprint, sondern ein Marathon“, erinnert sich der heute 63-Jährige, der genauso wie sein Bruder begeisterter Sportler ist.
Dass es ein Marathon bis ganz oben an die Spitze sein sollte, das hingegen wussten die beiden Brüder nicht. „Wir haben einfach immer gerne gearbeitet, einen Schritt nach dem anderen gesetzt“, sagt Obauer. Lediglich eines wusste der Sohn einer Gastronomenfamilie von Beginn an: „Dass ich kein Wirt sein will, der im Dorf eine Meinungsumfrage machen muss, damit er den Bierpreis erhöhen darf. Ich wollte als Koch ein selbstbewusster Mensch sein, der sich nicht verbiegen muss. So wie Paul Bocuse in Frankreich, der hat das Bild des Kochs revolutioniert und mir die Augen geöffnet.“
Bis heute spürt man in der Küche der Obauers die Affinität zu Frankreich. Jenem Land, in dem die beiden jungen Brüder nach ihrer Lehrzeit in einigen der besten Restaurants arbeiteten. Diese Erfahrungen verbanden sie in Werfen mit hochwertigen Produkten kleiner Bauern aus der Region, mit alpinen Küchentraditionen – und immer mit einer Prise neugieriger Weltoffenheit. Begriffe wie Regionalismus, Nachhaltigkeit, Bio oder gar Fusion – bei den Obauers immer schon gelebte Normalität. Gerichte wie etwa das gesottene Wildhuhn zeigen: Da wird dem Tier nicht nur mit Filet, sondern auch mit Keule und Magen kulinarisch gehuldigt. Kurz: Es wird alles verwertet.
Heute gilt das wieder als modern, aber hier war das immer schon so. „Wir haben uns nie nach irgendwelchen Trends gerichtet“, betont Obauer. „Uns ging es immer um ehrliche Qualität, die die Gäste begeistert.“ Während Rudi mit uns spricht, dreht sein Bruder Karl eine kleine Runde durch den Gastgarten. Schüttelt Hände, begrüßt neuankommende Gäste.
Rudis Sohn Berthold, der die Servicebrigade verantwortet, geleitet die Gäste in typisch obauerscher Gemütlichkeit zu ihrem Platz. Seit rund fünf Jahren ist er zurück in Werfen, obwohl ihm bis nach Asien prestigeträchtige Positionen einer großen Hotelkette offenstanden: „Aber hier kann ich wirklich gestalten – und den Namen Obauer in die Zukunft führen“, so der ambitionierte Spross. Fest steht: Ans Aufhören denkt hier niemand. „Außerdem wird immer gegessen werden“, fügt Rudi Obauer hinzu, „Und ganz egal, wie viel Geld jemand hat: Er wird immer das Bessere essen und nicht das Schlechtere.“
Lucas Palm