„Ich will nicht! Ich kann nicht! Ich hab‘ keine Lust!“ Kaum einem Elternteil sind Gezeter wie dieses fremd, wenn es um die Hausaufgaben des Nachwuchses geht. Wutanfälle, knallende Türen, stundenlanges Schmollen, sogar Familienkriege sind darüber schon ausgebrochen. Ob mangelhaftes Schulsystem, pure Trotzköpfigkeit oder eine ganz „normale“ Überlastung im familiären Alltag – wo die Ursachen für nervenzermürbende Lern- und Hausübungsdisaster liegen, sei hier außer Acht gelassen. Was nämlich, fragen sich Mütter und Väter, kann ich jetzt genau in diesem Moment tun, wenn die Situation wieder einmal zu eskalieren droht? Wie kann ich meinem Kind Lernen und Hausaufgaben schmackhaft oder zumindest erträglich machen? Einen vielversprechenden Ansatz dafür liefert die deutsche Bildungsaktivistin Caroline von St. Ange. In ihrem Buch „Alles ist schwer, bevor es leicht wird – Wie Lernen gelingt“ gibt sie viele praktische Tipps und Hintergrundinfos rund ums Lernen und Motivation. Zusätzlich bedient sich unter @learnlearning.withcaroline einen Instagram-Acount, den sie regelmäßig mit klugen Hilfestellungen und Anregungen befüllt. Rund 275.000 Interessierte folgen der „Sinnfluencerin“ bereits auf der sozialen Plattform.

Aufgaben verbrennen

Konstruktive Lösungen suchen, bei der Herausforderung begleiten, Gefühle wahr- und wichtignehmen und Drohungen außen vor lassen, empfiehlt die Lerncoachin, wenn das Kind wieder einmal bockt. Wenn der Stoff zu umfangreich ist, könnten etwa Arbeitsaufträge in kleinere Portionen gesplittet werden. Auch Ortswechsel (ja, man darf auch am Boden liegend seine Hausübung machen) oder eine Schnitzeljagd würden manchmal helfen. Und: Aufgaben dürften auch einmal verbrannt werden (natürlich nur unter Aufsicht und erst nach Erledigung). Dass das alles viel Zeit und Engagement von den Eltern verlangt, ist auch Caroline von St. Ange bewusst. Sie plädiert für Schulsysteme, ähnlich wie in den nördlichen Ländern Europas, wo solche Einsätze überhaupt keine Notwendigkeiten mehr hätten. Hausaufgaben sieht sie im Grunde als „Hausfriedensbruch“. Generell hält die Deutsche mit ihrer Kritik am Bildungssystem in ihrer Heimat nicht zurück. „Es gibt nur eine langfristige und nachhaltige Lösung für unsere Probleme. Und die lautet Bildung. Wir brauchen eine Bildungsoffensive“, so einer ihrer Seitenhiebe.

Neben Ausflüge in die Bildungspolitik gewährt Caroline von St. Ange spannende Einblicke in die Lernpsychologie. Die Grundlage, auf der die Arbeiten von St. Anges basieren, ist eine Theorie der US-amerikanischen Motivations- und Entwicklungspsychologin Carol Dweck. Darin wird „Growth Mindset“ „Fixed Mindset“ gegenübergestellt. Wenn Kinder schnell aufgeben, vor Herausforderungen zurückschrecken und lieber in ihrer Komfortzone bleiben, hätten sie eher ein „Fixed Mindset“. Das Gegenteil gelte es zu fördern. Nämlich Herausforderungen anzunehmen, an ihnen zu wachsen und vor allem keine Angst vor Fehlern zu haben. Sie seien nämlich richtig gute „Lernhelfer“. „Mega guter Fehler! Schau mal, was man daran jetzt alles lernen kann! – ist nur einer der Zaubersätze, welche die Bildungsaktivistin propagiert. Auch für ganz beharrliche Leugner ihrer Fähigkeiten hat sie eine einfache, aber einleuchtende Replik: „Du kannst das vielleicht noch nicht!“. Ein Zaubersatz, der übrigens nicht nur für Kinder funktioniert.