Nicht ohne mein Schwert! Klein-Lilli will dieses Jahr bei der Faschingsfeier im Kindergarten als Ritterin gehen. Was vielleicht bei so manchem Elternteil für Bauchweh sorgt, ist das Normalste der Welt. Denn Kinder ahmen nach und Ritter haben nun einmal auch Rüstungen und Schwerter. Das zumindest haben viele aus Büchern, Erzählungen oder dem Fernsehen gelernt. Einfach verbieten? Keine so gute Idee, wenn es nach Gesundheitspsychologin und Pädagogin Birgit Hartel geht: „Kinder verstehen Verbote dann oft nicht, weil sie sehen, dass es ja Realität ist.“ Was immer geht, sei darüber zu reden. „Erklären Sie, dass man Konflikte nicht löst, indem man hinhaut“, so ihr Tipp. Grenzen könne man etwa setzen, indem man ausmacht, andere nicht mit der Waffe zu bedrohen oder mit einer Pistole nicht auf andere zu zielen. „Solange das Spiel für alle ok ist, passt es“, verdeutlicht die Psychologin. Spätestens, wenn es einem Kind zu viel wird, sollten Eltern auf jeden Fall zum Schutz eingreifen. 

Was passiert konkret beim Schlüpfen in eine andere Rolle? „Ich muss genau hinschauen und das dann nachmachen. Etwa dieselbe Körperhaltung einnehmen. Nachahmen schafft Verbundenheit, Bindung und Beziehung.“ Das sei auch deshalb wichtig, weil kleine Kinder körperlich lernen und nur durch selber tun, begreifen und verstehen. Schon Babys ahmen das Lächeln ihrer Mütter nach. „Weltaneignung in Mini-Rollenspielen“, nennt es Birgit Hartel. Etwas, das im Rahmen der Entwicklung ganz automatisch passiere. „Kleine Kinder lernen dadurch, mit der Welt umzugehen und sich die Welt anzueignen.“ Später können das normale Hausarbeiten wie Kehren oder Staubsaugen sein. Es helfe Kindern dabei zu verstehen, was passiert. Kognitiv könnten sie das im frühen Alter nämlich noch nicht. „Die kognitive Perspektivenübernahme beginnt erst ab etwa fünf Jahren“, weiß die Psychologin.

„Grundsätzlich ist es so: Spiel ist die Zeit, wo das Kind bestimmen darf.“ Das sollten auch Eltern respektieren. Natürlich dürfe man als Elternteil mitspielen, oder eigene Ideen einbringen, aber es sollte nie so sein, dass die Spielideen und die Strukturen, ausschließlich von den Eltern kommen“, rät die Psychologin.
„Grundsätzlich ist es so: Spiel ist die Zeit, wo das Kind bestimmen darf.“ Das sollten auch Eltern respektieren. Natürlich dürfe man als Elternteil mitspielen, oder eigene Ideen einbringen, aber es sollte nie so sein, dass die Spielideen und die Strukturen, ausschließlich von den Eltern kommen“, rät die Psychologin. © Konstantin Yuganov

Eine weitere Facette des Rollenspiels sei es, Dinge, die man erlebt hat, aber noch nicht in Worte fassen könne, nachzuspielen und so auch zu verarbeiten. „Der Klassiker: Das Kind spielt tagelang einen Arztbesuch nach.“ Würde sich diese Rolle ständig wiederholen und immer zum Nachteil des Kindes ausgehen – es weint, weil es eine Spritze bekommt – könnten Eltern auch durchaus nachfragen und sogar eingreifen. „Zum Beispiel, indem sie fragen, was das Kind braucht, damit es nicht weinen muss.“ Nicht immer müsse der Input für solche Rollenspiele aus der eigenen Erfahrungswelt der Kinder kommen. Manchmal seien es auch Beobachtungen im Kindergarten.

Wozu Rollenspiele noch dienen? „Ich kann jemand anders sein, spielerisch und konsequenzenlos. Stark sein, wenn ich mich im Alltag schwach erlebe, oder ein Opfer spielen, wenn ich bislang immer Täter oder Täterin war“, erklärt Birgit Hartel. Ein Umstand, der im sogenannten Psychodrama – einer bestimmten Therapierichtung – auch für therapeutische Zwecke eingesetzt wird.