Festlich gekleidete Gäste, ein Strauß in Creme und Lachs, ein Hochzeitsredner hinter dem Pult und eine Braut ganz in Weiß. Soweit alles perfekt, nur der Bräutigam fehlt. Was vielen als wesentlicher Makel einer Hochzeit erscheinen mag, ist immer öfter Ziel und Vorsatz. „Ja, ich will mich heiraten!“ Sogenannte Selbsthochzeiten, auch Sologamie genannt, boomen. Sängerin Selena Gomez hat den Trend, ebenso wie Supermodel Adriana Lima oder Influencerin Cris Galêra, vorgelebt und immer mehr Frauen dazu inspiriert, sich selbst die ewige Treue zu schwören. Die Gründe dafür sind sehr unterschiedlich: ein Plädoyer für mehr Selbstliebe und Selbstwertschätzung, das Aufbrechen klassischer Gesellschaftsrollen, die Überwindung einer enttäuschenden Beziehung oder sich selbst ganz ohne Ehemann ein rauschendes Fest zu gönnen.

Ganz neu ist diese Modeerscheinung, die keinerlei rechtliche Grundlage hat, nicht. „In den 1970er- und 1990er-Jahren gab es das auch schon“, erklärt die Grazer Psychotherapeutin und Philosophin Monika Wogrolly. Schon damals seien etwa beim US-Festival „Burning Man“ Selbsthochzeiten zelebriert worden. „Das war damals eher ein gesellschaftlich motiviertes Zeichen nach außen, eine Trotzreaktion gegen das Diktat der Zweisamkeit.“ Frauen wollten zeigen, dass sie auch ohne herkömmliche Heirat eine soziale Wertigkeit haben. „Eine Antithese zu diesem Must-have der konventionellen Eheschließung“, bringt es die Psychotherapeutin auf den Punkt. Ob Frauen sich damit nicht erst wieder den gesellschaftlichen Normen unterwarfen? „Das ist die Paradoxie. Das Heiratsdiktat wird einerseits abgelehnt und andererseits heiratet man dann erst recht, halt eben keinen Mann, sondern sich selber.“ Entkommen würden Influencerinnen und Schauspielerinnen diesem Dilemma heutzutage mit einem humorvollen, selbstironischen Touch.

Lukrative Marktnische oder therapeutischer Nutzen?

Findige Unternehmer haben in dem Trend längst ein kassenfüllendes Geschäftsmodell entdeckt. Onlinekurse, wie man sich richtig auf die Selbsthochzeit vorbereitet, stehen ebenso am Programm wie Rundum-Pakete von Hochzeitsplanern. Also doch nur ein großes Geschäft ohne tieferen Sinn? „Natürlich ist das eine Marktnische, die sich aufgetan und sich inzwischen schon etabliert hat“, warnt Monika Wogrolly. Es komme immer darauf an, wie der Akt motiviert und ausgelebt würde. „Es gibt bestimmt auch Menschen, die an einem krankhaften Narzissmus leiden und dann zur Krönung ihrer narzisstischen Selbstdarstellung eine Hochzeit mit sich selber inszenieren.“

Die Gefahr dieser Entwicklung sei, dass man nur mehr bedürfnisorientiert und nicht mehr beziehungsorientiert agiere. „Man verliert den Kontakt zum Mitmenschen und ist nur mehr eine emotionale Raupe Nimmersatt, darauf getunt, Emotionen künstlich herbeizuführen und künstlich zu befriedigen, als Ersatzprogramm für eine wirkliche Beziehung, die einem schlichtweg zu anstrengend ist.“ Nur ein weiterer Ausdruck der Inszenierungsgesellschaft also? „Wenn etwas zu sehr kommerzialisiert und ausgeschlachtet wird, dann hat es nichts mehr mit einem Ritual der Selbstwertschätzung und Selbstfürsorge zu tun.“ Denn genau das kann eine Selbsthochzeit auch sein, ein Tool, das man innerhalb eines psychotherapeutischen Prozesses nutzen kann. Alle Menschen, nicht nur Frauen, könnten in Zukunft mit dem Akt ein Zeichen setzen, für Selbstfürsorge, Selbstwertschätzung und Selbstliebe, beispielsweise um sich nach einer Trennung mit sich selbst zu versöhnen, frühere Traumata zu überwinden oder um mit Selbstzweifeln aufzuräumen.

Monika Wogrolly ist Psychotherapeutin und Philosophin 
Monika Wogrolly ist Psychotherapeutin und Philosophin  © Christoph Kleinsasser; Klz/christoph Kleinsasser