Schon beim "Prolog im Himmel" weiß man: Es darf gelacht werden. Die Erzengel tänzeln als fette Putten mit Lockenperücken über die Bühne, rezitieren Goethes erhabene Verse mit viel Pathos und raffen grazil den Vorhang. Dieses Lachen ist natürlich von Regisseur Nikolaus Habjan bewusst gewähltes Kalkül. Dabei geht es nicht um das Parodieren eines Klassikers oder um die Anbiederung an junges Publikum. Gelacht werden darf an Stellen, die wohl auch der ehrwürdige Goethe mit einem Augenzwinkern geschrieben hat, oder dort, wo Menschen in ihrer Fehlerhaftigkeit eben lächerlich sind.
Diese humorvolle Leichtigkeit bewirkt aber erst, dass die ernsten Szenen an Tiefe und Bedeutung gewinnen. Während Frau Marthe köstlich outrierend mit Mephistopheles kokettiert, entsteht daneben eine wirklich innige und unpeinliche Liebesszene zwischen Faust und Gretchen als Gegenstück.
Premiere: Puppen spielen "Faust" im Next Liberty
Mit durchaus sinnvoller Kürzung des Textes auf rund zwei Stunden gelingt Habjan eine "Faust"-Version, die Theaterneulinge ebenso fesselt wie profunde Faustkenner. Durch kleine Verschiebungen entsteht eine neue spannende Interpretation. So antwortet Gretchen auf Mephistopheles' Urteil "Sie ist gerichtet!" selbst (statt der Stimme von oben) ein selbstbewusstes "Ist gerettet!" und geht ab.
Maßgeblich am Erfolg des Abends beteiligt ist natürlich ein begeisterungsfähiges Team, das die Ideen des Theatermachers Habjan grandios umsetzt. Klaus Huhle ist ein beeindruckender, glaubwürdiger Faust, der als ewig Suchender und Zweifelnder viel Identifikationsfläche bietet, Alice Peterhans eine entzückend natürliche und berührende Margarete und Manuela Linshalm ein wahrhaft dämonischer Mephisto. Sebastian Mock, Helmut Pucher, Leopold Geßele und Martin Niederbrunner brillieren höchst wandlungsfähig in unzähligen Rollen. Habjans charaktervolle Klappmaulpuppen eignen sich klarerweise ideal für Gott und Teufel, Hexen und Irrlicht. Die furiose Walpurgisnacht ist da nur als ein Highlight von vielen zu erwähnen. Bühne (Jakob Brossmann), Kostüme (Denise Heschl), Licht (Michael Rainer) und Musik entfalten in ihrer Gesamtheit wahre Theatermagie.