Im Vorjahr hatte die Diagonale, das Festival des österreichischen Films, 27.000 Besucher, 157 Filme sind gelaufen, davon 97 im Wettbewerb. Bleibt das bei Ihrer ersten Diagonale 2016 so?
PETER SCHERNHUBER: Wünschenswert wäre es, wenn die Besucher so bleiben würden (lacht). Die Diagonalehat eine sehr strenge und markante DNA. Einerseits will sie einen Querschnitt des österreichischen Films abbilden, andererseits Haltung beziehen.


SEBASTIAN HÖGLINGER: Der Wettbewerb wird das zentrale Gewicht der Diagonale bleiben. Außerdem bleiben wir bei der gleichen Anzahl von Festivaltagen und Festivalkinos. Neu sind ein Festivalzentrum im Kunsthaus und eine Bar im Hotel Mariahilf – im Idealfall soll ein kleiner Festivaldistrikt entstehen.


Die Diagonale will so vieles sein: Leistungsschau, Branchentreffen und Publikumsfestival. Worauf liegt Ihr Fokus?
SCHERNHUBER:Für uns ist die Diagonale weder reines Branchentreffen noch Publikumsfestival, sondern beides – und beides im Dialog. Die Branche trifft direkt auf ihr Publikum – im Idealfall im Kino, es könnte aber auch in den Straßen von Graz passieren oder abends in einer Bar. Für diese Kontakte ist Graz ideal.

HÖGLINGER: Wir sprechen immer vom Paradoxon eines dreibeinigen Spagats, wenn man so möchte. Barbara Pichler hat das Programm entschlackt, unter ihr ist die Diagonale stärker ein Festival mit kuratorischem Anspruch geworden; das hören wir auch immer im Ausland. Wir wollen Klammern setzen, rote Fäden spannen, ein Netzwerk errichten.


Was darf man sich unter diesen roten Fäden vorstellen?
SCHERNHUBER: Ich nenne ein Beispiel: Bisher war es so, dass die Diagonale auch Historisches im Programm gezeigt hat. Das empfinden wir als wahnsinnig wichtig, weil das unterm Jahr abseits von Wien selten passiert. Wir betrachten das auch als kulturpolitischen Auftrag, das Filmerbe Österreichs sichtbar zu machen. Bisher wurden mehrere Programme nebeneinander gezeigt. Wir wollen mit einem Übernarrativ drei Institutionen (Filmarchiv, Filmmuseum, Synema) auf ein Phänomen blicken lassen.


HÖGLINGER: Das ist generell unser Konzept: Film- und kulturpolitische Themen, die branchenintern verhandelt werden, gesamtgesellschaftlicher zu denken.


Klingt, als bekäme das Festival nun ein übergeordnetes Thema?
HÖGLINGER: Nein, es wird kein Festivalthema geben, aber programmatische Schwerpunkte.


Ein Beispiel bitte.
SCHERNHUBER: Ein Thema wird Diversität sein – das wird sich programmatisch, aber auch in Diskussionen bemerkbar machen.


Sind neue Programmschienen geplant?
HÖGLINGER: Ja. Eine neue Programmreihe nennt sich „In Referenz“: Wir wollen aktuellen Filmen oder Strömungen des heimischen Kinos Zugänge zum Weltkino gegenüberstellen und Querverbindungen aufzeigen. In diesem Rahmen wird es auch eine feine Österreichpremiere eines kanadischen Films geben.


SCHERNHUBER: Wir möchten uns fragen: Was hat österreichisches Kino mit internationalen Tendenzen gemein? Man muss sich von der Vorstellung lösen, das österreichische Kino finde nur zwischen Boden- und Neusiedlersee statt. Was wird von außen beeinflusst? Das Festival, das ganz stark und teils mit einem national aufgeladenen Terminus versehen ist – als Festival für den österreichischen Film –, ist aus unserer Sicht immer auch verpflichtet, gegen den Strich zu bürsten. Sonst ist man nicht mehr als eine filmische Mozartkugel.


HÖGLINGER: So ist auch das neue Design zu verstehen: als Österreichfahne, die gegen den Strich gebürstet ist. Was bedeutet das Österreichische? Dieser Diskurs ist auch im Pop gerade aktuell. Wir wollen Positionen von außen und anderen Szenen zulassen und nicht nur in der eigenen Suppe köcheln. Neue Kooperationspartner sind z. B. Elevate-Festival oder Architektursommer. Wir sind mit vielen im Gespräch.


Die Jury wählte Sie wegen Ihres mutigen Konzepts aus. Was ist denn besonders mutig?
SCHERNHUBER: Vieles, das für uns selbstverständlich ist, wird plötzlich als mutig wahrgenommen. Wir wollen den Austausch, nicht den inszenierten Widerspruch. Popkultur nimmt man heute anders wahr. Man hört Fennesz und Adele, hat es vielleicht sogar nebeneinander auf dem iPod.
HÖGLINGER: Oder im Plattenschrank.