Mehraktige Handlungsballette liegen wieder im Trend. Nicht nur Klassiker wie „Schwanensee“, sondern auch neue Werke wie „The Winter’s Tale“ des Choreographen Christopher Wheeldon. Von ihm war in Wien zuletzt 2015 das kurze Stück „Fool’s Paradise“ zu sehen.
William Shakespeare haben Größen wie Sir Frederick Ashton, Kenneth MacMillan John Cranko oder John Neumeier interpretiert. An Letzteren erinnern so manche Bewegungen in Wheeldons „The Winter’s Tale“ von 2014. Seine Tanzsprache ist neoklassisch und ohne Verve, ein wenig bieder. Vielleicht fiel ihm nichts mehr ein, was auch an der banalisierenden Deutung dieses komplexen Werkes liegen könnte. Denn dramaturgisch gut ausgearbeitet wirkt Shakespeares Spätwerk von 1610 nicht. Das wäre aber die Bedingung, zumal für ein selten aufgeführtes Stück wie dieses.
Irrungen und Wirrungen
Im Kern geht es um einen psychisch auffälligen Diktator, König Leontes von Sizilien, der seiner schwangeren Ehefrau Hermione Ehebruch mit dem einstigen Jugendfreund Polixenes, König von Böhmen, unterstellt. Er bringt sie ins Gefängnis, ihr gemeinsamer Sohn stirbt, wie auch sie vermeintlich nach der Geburt ihrer Tochter. Nach Irrungen und Wirrungen zwischen Sizilien, wo es bei Wheeldon schneit und dem pastoralen Böhmen, kommt es zu einem Happy End. Shakespeare integriert hier das im 17. Jahrhundert beliebte Motiv der lebendig werdenden Statue und lässt so Hermione auferstehen. Aber ist diese Groteske ein Happy End?
Das Drama ausgespart
„Winter’s Tale“ ist bei aller „Romance“ auch ein politisches Stück Shakespeares, in dem es um Autokratie, Standesunterschiede, Erbfolgen oder Homosexualität geht. All das spart Wheeldon aus zugunsten eines melodramatisch-opulenten Bilderbogens voller Theatereffekte mit der schwülstigen Musik von Joby Talbot.
In der Premierenbesetzung wirkte etwa Brendan Saye als Leontes steif und unbeholfen und alles andere als psychopathischer Despot. Auch Hyo-Jung Kang vermittelte wenig mehr als traurige Lieblichkeit. Tänzerisch gut waren Davide Dato, Ketevan Papava und Eno Peci, und die vielen Massenszenen gerieten gefällig auch durch die bunten Kostüme von Bob Crowley. Insgesamt trotz Längen ein Publikumserfolg, aber MacMillan und Konsorten wirken jung dagegen.
Barbara Freitag